Rn 16
Maßstab für die Abänderung einer vertraglichen Abrede ist § 313 I, II BGB. Danach kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insb der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung (aber auch der berechtigten Belange des anderen Teils), wegen nach Vergleichsschluss eingetretener (§ 313 I BGB) oder anfänglich vorhandener, aber beiderseits nicht erkannter (§ 313 II BGB) schwerwiegender Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Eine dem § 238 II entsprechende Tatsachenpräklusion gibt es nicht.
Rn 17
Die Frage, ob eine solche Störung eingetreten ist, ist nach dem der ursprünglichen Unterhaltsvereinbarung zugrunde gelegten Willen der Beteiligten zu beurteilen. Dieser ist Geltungsgrund der Vereinbarung und entscheidet darüber, welche Verhältnisse zur Grundlage der Vereinbarung gehören und wie die Vertragsparteien diese Verhältnisse bewertet haben (BGH FamRZ 17, 370; 12, 699; 95, 665, 666; ThoPu/Hüßtege § 239 Rz 11a). Ist in den maßgeblichen Verhältnissen seit Abschluss der Vereinbarung eine Änderung eingetreten, so muss die danach gebotene Anpassung der getroffenen Regelung an die veränderten Verhältnisse nach Möglichkeit unter Wahrung der dem Parteiwillen entsprechenden Grundlagen erfolgen (Prütting/Helms/Bömelburg § 239 Rz 34; Zö/Lorenz § 239 Rz 7; Sternal/Weber § 239 Rz 49; Bumiller/Harders/Schwamb § 239 Rz 9; Graba NZFam 19, 109, 112). Haben die Beteiligten insb einen Vergleich geschlossen, ohne die hierfür maßgeblichen Grundlagen aufzunehmen, müssen diese in einem nachfolgenden Abänderungsverfahren im Wege der Auslegung ermittelt werden (BGH FamRZ 10, 192; Prütting/Helms/Bömelburg § 239 Rz 37). Ist die Abänderung eines Unterhaltsvergleichs wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage eröffnet, können iRd Anpassung auch solche Umstände berücksichtigt werden, die bei der Unterhaltsbemessung außer Acht gelassen wurden, wenn diese in Anbetracht der (sonstigen) Vergleichsgrundlagen bei Vergleichsabschluss zu keinem anderen Ergebnis geführt hätten (BGH FamRZ 20, 577: gleichrangige Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder).
Rn 18
Ist eine so tief greifende Veränderung der Verhältnisse eingetreten, dass dem Parteiwillen für die vorzunehmende Änderung kein hinreichender Anhaltspunkt mehr zu entnehmen ist, kann die Abänderung ausnw ohne Bindung an die nunmehr unbrauchbar gewordenen Grundlagen der abzuändernden Vereinbarung vorzunehmen und der Unterhalt wie bei einer Erstfestsetzung nach den gesetzlichen Vorschriften neu zu bemessen sein. Auch in solchen Fällen bleibt allerdings zu prüfen, ob der Vereinbarung Elemente entnommen werden können, die trotz der tief greifenden Änderung der Verhältnisse nach dem erkennbaren Parteiwillen weiterwirken sollen (BGH FamRZ 17, 370; 94, 696). Gleiches gilt, wenn sich die Berechnung des in einem Vergleich bzw aufgrund einer Verständigung titulierten Unterhalts unter Zugrundelegung der verschiedenen Faktoren nicht (mehr) nachvollziehen lassen (BGH FamRZ 10, 192; 01, 1140; 87, 257; Kobl NZFam 18, 988; Bumiller/Harders/Schwamb § 239 Rz 9). Haben die Beteiligten für den Fall einer späteren Abänderung eine Neuberechnung ohne jede Bindung an die Grundlagen ausdr vereinbart, ist dies zu berücksichtigen (BGH FamRZ 12, 1483; Sternal/Weber § 239 Rz 55).
Rn 19
Eine zeitliche Beschränkung für die (rückwirkende) Abänderung enthält § 239, anders als § 238 III, nicht. Einer rückwirkenden Abänderung können nur materiell-rechtliche Gründe entgegenstehen (BTDrs 16/6308, 258). Der Unterhaltsberechtigte kann eine rückwirkende Abänderung nur in den Grenzen der §§ 1613, 1360a III, 1361 IV 4, 1615l III, IV, 1585b II, III BGB verlangen: Ausreichend ist die an den Unterhaltspflichtigen gerichtete Aufforderung, Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen zu erteilen. Der Unterhaltspflichtige ist in der rückwirkenden Abänderung nach unten nicht beschränkt; einer ›Negativmahnung‹ wie nach § 238 III 3 bedarf es nicht und auch die Jahresgrenze des § 238 III 4 gilt nicht. Das wird insb bei treuwidrigem Verschweigen wesentlicher Änderungen durch den Unterhaltsberechtigten bedeutsam (BGH FamRZ 08, 1325; 97, 483). Der Unterhaltspflichtige, der die Veränderung erst nachträglich erfährt, kann seine Rechte so rückwirkend ab dem Verstoß wahren (Prütting/Helms/Bömelburg § 238 Rz 42; Bork/Jacoby/Schwab/Hütter/Kodal (3. Aufl) § 239 Rz 17).