Gesetzestext
Wenn der Verpflichtete dem Kind nach Vollendung des 18. Lebensjahres Unterhalt zu gewähren hat, kann gegen die Vollstreckung eines in einem Beschluss oder in einem sonstigen Titel nach § 794 der Zivilprozessordnung festgestellten Anspruchs auf Unterhalt nach Maßgabe des § 1612a des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht eingewandt werden, dass die Minderjährigkeit nicht mehr besteht.
A. Allgemeines.
Rn 1
Die Vorschrift entspricht § 798a ZPO aF. Ansprüche wegen Kindesunterhalts beruhen auf § 1601 BGB, der sämtliche Unterhaltsansprüche Verwandter in gerader Linie erfasst (vgl iE zB PWW/Soyka § 1601 Rz 1 f); die Unterhaltspflicht besteht dem Grunde nach lebenslang (BGH FamRZ 84, 682). Es besteht Identität des Unterhaltsanspruchs volljähriger Kinder mit dem Minderjährigenunterhalt. Die Unterhaltspflicht beruht weiterhin auf § 1601 BGB; auch die für den Unterhalt Minderjähriger bestehenden Besonderheiten rechtfertigen es nicht, den Anspruch auf Volljährigenunterhalt als eigenständigen Anspruch aufzufassen (BGH FamRZ 06, 99 mwN; Bambg MDR 18, 1505; Celle FamRZ 17, 2020; Hamm FamFR 12, 33; Saarbr FamRZ 07, 1829). Es bedarf keiner neuen Titulierung des Unterhalts mit Eintritt der Volljährigkeit. Dies gilt auch dann, wenn Kindesunterhalt in dynamischer Form als Prozentsatz des jeweiligen Mindestunterhalts nach § 1612a BGB tituliert worden ist, obwohl diese Möglichkeit nur minderjährigen Kindern offensteht. Der Mindestunterhalt der 3. Altersstufe ist nicht zeitlich begrenzt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs. Vielmehr soll das minderjährige Kind in die Lage versetzt werden, auch bei Geltendmachung dynamisierten Unterhalts nach § 1612a BGB einen über den Zeitpunkt der Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus einen unbefristet tenorierten Titel zu erlangen. Es soll nicht gezwungen sein, sich nach Eintritt der Volljährigkeit einen neuen Titel beschaffen zu müssen (BTDrs 13/7338, 23 zu § 798a ZPO; BGH MDR 06, 353 zu § 798a ZPO aF). Dem entspricht § 244, der dem Unterhaltsverpflichteten den gegenüber einem Unterhaltstitel in dynamischer Form nach § 1612a BGB den Einwand abschneidet, dass die Volljährigkeit des Kindes dem Titel die Grundlage nähme; die Vollstreckung aus dem Titel soll auch nach Eintritt der Volljährigkeit erleichtert werden (BGH MDR 06, 353 zu § 798a ZPO aF; Saarbr FamRZ 07, 1829).
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Vorschrift ist ihrem Wortlaut nach anwendbar auf Unterhaltstitel, die die Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt in dynamischer Form enthalten. Das bedeutet aber aus den genannten Gründen nicht, dass gegenüber einer in statischer Form titulierten Unterhaltsverpflichtung der Einwand der Volljährigkeit erhoben werden könnte; vielmehr gelten auch diese Titel über die Volljährigkeit des unterhaltsberechtigten Kindes fort; dies ist so selbstverständlich, dass es keiner besonderen Erwähnung im Gesetz bedarf (Dutta/Jacoby/Schwab/Langheim § 244 Rz 7; ebenso Prütting/Helms/Bömelburg § 244 Rz 5; ThoPu/Hüßtege § 244 Rz 3; im Ergebnis ebenso Keidel/Giers (20. Aufl) § 244 Rz 4: Anwendung des § 244 nicht erforderlich; offengelassen von Celle FamRZ 17, 2020; aA Hamm FamRZ 06, 1558). Die Vorschrift des § 798a ZPO aF war nur auf solche Vollstreckungstitel anwendbar, die Unterhaltsansprüche iSv § 1612a BGB in der seit 1.7.98 geltenden Fassung (auf einen Prozentsatz des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung) feststellen oder die gem Art 5 § 3 KindUG auf das seit 1.7.98 geltende Recht umgestellt worden sind (BGH MDR 06, 353 [BGH 04.10.2005 - VII ZB 21/05]); diese Titel gelten nach Maßgabe des § 36 Nr 3 S 3 EGZPO fort und fallen, da auch sie ›nach Maßgabe des § 1612a BGB‹ errichtet sind, nach Aufhebung des § 798a ZPO aF ohne Weiteres in den Anwendungsbereich des § 244 (Bork/Jacoby/Schwab/Hütter/Kodal (3. Aufl) § 244 Rz 5; vgl auch Prütting/Helms/Bömelburg § 244 Rz 4).
C. Wirkung.
Rn 3
Das Kind kann ggf nach Umschreibung des Titels auf sich gem § 120 I, 727 ZPO (zB wenn dieser von einem Elternteil im Wege der Verfahrensstandschaft gem § 1629 III 1 BGB erwirkt worden ist) auch nach Eintritt der Volljährigkeit aus dem Unterhaltstitel vollstrecken. Der Unterhaltsschuldner ist (nur) mit dem im Wege des Vollstreckungsgegenantrags gem § 120 I iVm § 767 ZPO geltend zu machenden Einwand, der Titel sei aufgrund eingetretener Volljährigkeit unwirksam, ausgeschlossen (Hamm FamRZ 12, 993; Nürnbg FamRZ 10, 1010). Uneinheitlich wird beurteilt, ob der Titel bis zu einer evtl Abänderung nach §§ 238–240 weiterhin der Dynamik unterliegt und das Kindergeld trotz Volljährigkeit nur zur Hälfte anzurechnen ist oder ob die Dynamik mit Eintritt der Volljährigkeit entfällt mit der Folge, dass das volle Kindergeld zu berücksichtigen ist (weitere Dynamik und Anrechnung hälftigen Kindergeldes: ThoPu/Hüßtege § 244 Rz 5; Knittel JAmt 13, 446; aA Celle FamRZ 14, 134).