I. Grundlagen.
Rn 8
Das FamFG enthält keine systematische Regelung des Beweisrechts. Soweit das Gericht im Wege des Strengbeweises gem § 30 vorgeht, ist das gesamte Beweisrecht der ZPO heranzuziehen. Im Übrigen sind die §§ 26, 27, 29, 31, 37 zu beachten.
II. Beweismittel.
Rn 9
Beim Strengbeweis (§ 30) ist das Gericht auf die fünf Beweismittel der ZPO beschränkt (Augenschein, Zeuge, Sachverständiger, Urkunde, Parteivernehmung). Beim Freibeweis (§ 29) gibt es keine solche Beschränkung. Hier ist neben den Beweismitteln der ZPO an amtliche Auskünfte von Behörden, formlose mündliche oder schriftliche Anhörungen von Beteiligten oder Zeugen sowie an die Beiziehung von Akten von Gerichten oder Behörden und an eidesstattliche Versicherungen zu denken.
III. Beweisverbote.
Rn 10
Nicht jede Beweisführung, die tatsächlich möglich ist, ist auch rechtlich zulässig. Vielmehr gibt es Fälle, in denen ein Beweisverbot besteht. Ein solches Verbot wird man va dort annehmen müssen, wo ein rechtswidriger Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Grundpositionen des Einzelnen vorliegt. Ähnliches gilt in Überschneidung mit solchen verfassungsrechtlich geschützten Positionen für einen Verstoß gegen die §§ 201–203 StGB (Vertraulichkeit des Wortes, Briefgeheimnis, Privatgeheimnis). Soweit Beweismittel aufgrund eines Verstoßes gegen andere Normen rechtwidrig erlangt worden sind, kann der Schutzzweckgedanke bei Urkunden und Augenscheinsobjekten durch eine analoge Heranziehung der §§ 422, 423 ZPO ergänzt werden (MüKoZPO/Prütting § 284 Rz 68 ff).
IV. Freie Beweiswürdigung.
Rn 11
Hat ein Gericht über erhebliche Tatsachenbehauptungen Beweis erhoben, so muss es das Ergebnis dieser Beweisaufnahme ebenso wie den gesamten Inhalt des Verfahrens frei würdigen. Dieser Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist in § 37 I niedergelegt, und er ist von prägender Bedeutung für das gesamte Beweisrecht. Er gilt im Bereich des Freibeweises ebenso wie im Bereich des Strengbeweises, in Antragsverfahren ebenso wie in Amtsverfahren.
V. Beweislast.
Rn 12
Die fG kennt keine Behauptungslast und keine subjektive Beweislast der Beteiligten. Dagegen muss es auch im Verfahren mit Amtsermittlung die objektive Beweislast geben. Sie gibt dem Gericht Antwort auf die Frage, zu wessen Nachteil eine Entscheidung zu fällen ist, wenn über eine relevante Tatsachenbehauptung eine endgültige Unklarheit (non liquet) besteht. Die objektive Beweislast ist also keine Last im technischen Sinn. Vielmehr ist sie völlig unabhängig von jeglichem Handeln der Beteiligten eine Norm, die dem Richter bei endgültiger Unklarheit die Subsumtion und somit die richterliche Entscheidung ermöglicht. Die objektive Beweislast ist also in Wahrheit eine Form gesetzlicher Risikoverteilung. Sie muss in abstrakt-genereller Form, also rechtssatzmäßig, festgelegt sein.
VI. Anscheinsbeweis.
Rn 13
Eine Sonderform der Beweiswürdigung stellt der Anscheinsbeweis dar. Bei diesem handelt es sich um die Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung durch den Richter iRd freien Beweiswürdigung auf das konkrete Geschehen. Die Voraussetzung des Anscheinsbeweises ist ein typischer Geschehensablauf, also ein sich aus der Lebenserfahrung bestätigender gleichförmiger Vorgang, durch dessen Typizität es sich erübrigt, die tatsächlichen Einzelumstände eines bestimmten historischen Geschehens nachzuweisen. Dabei muss der Richter iRd Anwendung des Anscheinsbeweises zur vollen Überzeugung der festgestellten Ausgangstatsachen gelangen. Der Anscheinsbeweis verändert nicht die Beweislast, und er verändert auch nicht das Beweismaß. Da der Anscheinsbeweis den Richter zu einer (vorläufigen) Überzeugung vom Geschehen bringen kann, kann er durch einen bloßen Gegenbeweis erschüttert werden. Ein vollständiger Beweis des Gegenteils ist nicht erforderlich.
Rn 14
Der Anscheinsbeweis als Teil der freien Beweiswürdigung ist auch in der fG zulässig und anzuwenden. Die Pflicht zur Amtsermittlung enthebt das Gericht nicht der weiteren Verpflichtung, das Erfahrungswissen der Zeit und insbesondere die Erkenntnisse über typische Geschehensabläufe iRd Beweiswürdigung zu verwenden.