Gesetzestext
(1) Das Gericht erhebt die erforderlichen Beweise in geeigneter Form. Es ist hierbei an das Vorbringen der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Vernehmung bei Amtsverschwiegenheit und das Recht zur Zeugnisverweigerung gelten für die Befragung von Auskunftspersonen entsprechend.
(3) Das Gericht hat die Ergebnisse der Beweiserhebung aktenkundig zu machen.
A. Normzweck.
Rn 1
§ 29 und § 30 regeln das Beweisverfahren. Nach seinem pflichtgemäßen Ermessen kann der Richter den Strengbeweis (§ 30 I) oder den Freibeweis (§ 29) wählen. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob der Richter das Beweisverfahren nach den strikten Regeln der ZPO gestaltet und sich dabei auf die im Gesetz genannten fünf Beweismittel beschränkt (Strengbeweis) oder ob er von den strikten Regeln des Beweisverfahrens und dem numerus clausus der Beweismittel freigestellt ist, sodass er zB auch telefonische Fragen oder amtliche Auskünfte von Behörden nutzen kann (Freibeweis).
B. Freibeweis und Strengbeweis.
Rn 2
Das Verhältnis von Freibeweis und Strengbeweis sowie die damit zusammenhängende Entscheidung, ob ein Freibeweis grds zugelassen sein soll, stellt eines der zentralen Probleme des Rechts der fG dar. Heute lässt sich die Existenz des Freibeweises nicht mehr leugnen. Die entscheidende Frage muss daher lauten, wann und in welchem Umfang der Freibeweis heranzuziehen ist. Die §§ 29, 30 bilden eine eindeutige Grundlage dafür, dass in der fG neben dem Strengbeweis auch der Freibeweis heranzuziehen ist. Andererseits zeigt die Regelung in § 30, dass der Gesetzgeber entsprechend der bisherigen Praxis das Schwergewicht der Beweisaufnahme im Rahmen des Strengbeweises sieht. Den Grundsatz bildet das ausdrücklich gewährte richterliche Ermessen und damit eine gewisse Wahlfreiheit, wie sie sich aus § 30 I ergibt. IE zeigen aber die zwingenden Vorschriften des § 30 II und III, dass sich praktisch das Schwergewicht verschoben hat.
C. Anwendungsbereich des Freibeweises.
Rn 3
Die Basis für die Anwendung des Freibeweises ist der Zweck der Norm. Dieser wird so umschrieben, dass der Freibeweis ein flexibles Erkenntnisinstrument sei, das ein zügiges, effizientes und ergebnisorientiertes Arbeiten ermögliche. IE ist anzuerkennen, dass der Freibeweis iRd Ermittlung aller Verfahrensvoraussetzungen und aller weiteren Verfahrensfragen in Betracht kommt. Er kann vom Gericht auch bei Zustimmung aller Beteiligten herangezogen werden (Argument aus § 284 S 2 ZPO). Weiterhin ist der Freibeweis zulässig, wenn ein Eingriff in Schutzbereiche des Verfahrensrechts und der Beteiligten sowie in öffentliche Interessen nicht zu befürchten ist. Darüber hinaus ist der Freibeweis heranzuziehen, wenn er allein für eine besondere Sachverhaltsermittlung geeignet ist (Hambg FamRB 20, 284). In jedem Fall wird man den Freibeweis heranziehen können, wenn es um die Anhörung einer Amtsperson geht. Schließlich ist der Freibeweis das geeignete Verfahren, wenn es darum geht, besondere Rechtsgüter zu schützen, die im Rahmen eines normalen Strengbeweisverfahrens gefährdet wären.
D. Anwendung der ZPO (Abs 2).
Rn 4
Der Grundgedanke des Freibeweises ist es, dass die Regeln der ZPO über eine förmliche Beweisaufnahme nicht gelten. Daher bedarf es einer speziellen Norm, soweit ZPO-Regeln ausnahmsweise doch zu beachten sind. Dies gilt gem Abs 2 einmal für den Bereich der Amtsverschwiegenheit, also für § 376 ZPO. Anzuwenden ist gem Abs 2 auch im Freibeweis das Recht zur Zeugnisverweigerung nach den §§ 383, 384 ZPO. In diesem Fall gelten auch die Verfahrensregeln der §§ 385–390 ZPO entsprechend.
E. Aktenkundigkeit (Abs 3).
Rn 5
In Übereinstimmung mit der generellen Regelung des § 28 IV muss das Gericht über alle persönlichen Anhörungen der Beteiligten ebenso wie über die Befragung von Auskunftspersonen und das Ergebnis dieser Befragung in geeigneter Form eine Aktenkundigkeit herbeiführen. Dies wird in aller Regel in der Form eines Vermerks geschehen, wie er in § 28 IV geregelt ist.