I. Übersicht.
Rn 2
Während I abschließend die Voraussetzungen für den Erlass einer EA normiert, regelt II nicht abschließend deren möglichen Inhalt. Dabei soll die Formulierung ›kann‹ dem Gericht kein Ermessen, sondern nur die Entscheidungskompetenz einräumen (Sternal/Giers Rz 14).
II. Anordnungsanspruch und -grund, Rechtsschutzbedürfnis.
Rn 3
Der Erlass einer EA erfordert das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs u eines Anordnungsgrundes. Die erstrebte Maßnahme muss bei summarischer Prüfung nach dem materiellen Recht gerechtfertigt sein (Anordnungsanspruch). Die eintw Maßnahme setzt also stets eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage voraus; §§ 49 ff selbst geben eine solche nicht her (Musielak/Borth/Borth/Grandel Rz 9). Die summarische Prüfung stellt allerdings geringere Anforderungen an die beizubringenden Beweise (§§ 51 I 2, 31, § 294 ZPO) u bei Verfahren, die der Amtsermittlung unterliegen (§ 26), an die gerichtlichen Ermittlungen (BVerfG FamRZ 18, 1084; EuGHMR FamRZ 19, 954). Daneben bedarf es eines dringenden Regelungsbedürfnisses (Anordnungsgrund) für ein sofortiges gerichtliches Tätigwerden, das ein Zuwarten bis zu einer wirksamen u damit vollzieh- bzw vollstreckbaren (§§ 40, 116 III, 120 II 1) Entscheidung in der Hauptsache nicht erlaubt, weil diese zur Wahrung der schützenswerten Interessen zu spät käme (Nürnbg FamRZ 14, 52; Jena FamRZ 10, 1830; Stuttg FamRZ 10, 1678), u die Folgenabwägung muss ergeben, dass die Nachteile, die für die Rechte u Interessen der Beteiligten entstehen, wenn die EA unterbleibt, die Hauptsache aber iSd jeweiligen Beteiligten entschieden würde, schwerer wiegen als die Nachteile, die durch vorläufige Maßnahmen eintreten können, die aber aufzuheben u rückabzuwickeln sind, wenn sich die Hauptsache als erfolglos erweisen sollte (Brandbg FamRZ 19, 906). Es sind möglichst keine vollendeten Tatsachen zu schaffen. Je schwerer die auferlegte Belastung wiegt u je mehr die Maßnahme Unabänderliches bewirkt, umso gesicherter muss die Tatsachengrundlage sein (BVerfG FamRZ 14, 907). Der Entzug der elterlichen Sorge nach §§ 1666, 1666a BGB unterliegt aufgrund des erheblichen Eingriffs in die Grundrechte der Eltern u des Kindes im EA-Verfahren besonders hohen Anforderungen an die Sachverhaltsermittlung (näher § 51 Rn 4), weil schon die vorläufige Herausnahme des Kindes aus der Familie Tatsachen schaffen kann, welche später nicht ohne Weiteres rückgängig zu machen sind (BVerfG FamRZ 18, 1084; 17, 1577). Beim Antrag nach § 1628 BGB wg einer Coronaimpfung kann zwischen Grundimmunisierung u Boosterimpfung u je nach dem Willen eines einwilligungsfähigen (idR ab 14 Jahren) Kindes zu differenzieren sein (Rostock FamRZ 22, 192; Dresd FamRZ 22, 528; Frankf FamRZ 21, 1533; AG Hamburg FamRZ 22, 104 m Anm Rake). Ein Anordnungsgrund kann bei längerem Zuwarten zu verneinen sein (Köln FamRZ 11, 118), weil sich die nur summarische Prüfung verbunden m den geringeren Anforderungen an die beizubringenden Beweise nur daraus rechtfertigt, dass eine Entscheidung in der Hauptsache zu spät käme (Jena FamRZ 10, 1830). In
Unterhaltssachen, einschl Verfahrenskostenvorschuss, bedarf es gem § 246 I keines Anordnungsgrundes; jedoch kein Regelungsbedürfnis (BVerfG FamRZ 16, 30; Zweibr FamRZ 22, 546), wenn mittels EA geforderter Unterhalt rechtzeitig gezahlt wird. In Gewaltschutzsachen enthält § 214 I 2 eine v Ag zu widerlegende (Köln FamRZ 21, 1228) Vermutungsregelung für ein Eilbedürfnis. Zum Institut der vorläufigen Anordnung s Rn 6. Ein anhängiges Hauptsachverfahren lässt das Rechtsschutzbedürfnis für eine EA ebenso wenig entfallen wie umgekehrt. Während der Erlass einer EA auf eine schnelle vorläufige Regelung aufgrund einer summarischen Prüfung abzielt, kann eine rechtskräftige Entscheidung über den Verfahrensgegenstand nur in einem Hauptsacheverfahren ergehen. Spätestens m der Wirksamkeit bzw Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung tritt eine EA über den gleichen Verfahrensgegenstand außer Kraft (§ 56 I).
III. Rechtsfolgen.
1. Vorläufige Maßnahmen, Rechtsgrund, Rückforderung.
Rn 4
Nach II 1 sind nur Sicherungsmaßnahmen u vorläufige Regelungen zulässig. Die EA darf die Hauptsache nicht vorwegnehmen. Vorläufigkeit idS ist in Familiensachen aber häufig auch zeitlich zu verstehen. So enthalten im Wege einer EA ergangene gewaltschutzrechtliche Verbote, Umgangsausschlüsse oder Regelungen zum Aufenthalt des Kindes aus der Natur der Sache heraus eine für die Vergangenheit nicht mehr rückgängig machbare endgültige Regelung. Dennoch nehmen sie die Hauptsache nicht vorweg, weil sie zeitlich lediglich einstw bis zu einer möglichen Entscheidung in der Hauptsache gelten. Auch eine zeitliche Befristung ist möglich, § 56 I 1, 1. Var (s § 56 Rn 1). Eine einstw Gewaltschutzanordnung ist ausdr zu befristen (Saarbr FamRZ 11, 1087; 10, 1810; s.a. §§ 1 I 2, 2 II GewSchG). Ob dies bei einer einstw Umgangs- oder Sorgerechtsregelung ebf erforderlich ist, erscheint zweifelhaft. Dem könnten Kindeswohlgesichtspunkte (§ 1697a BGB) entgegenstehen. Der unterlegene Beteiligte ist hinreichend geschützt, wenn kein Hauptsachverfahren anhängig gemacht wird, denn er kann dessen Einleitung erz...