I. Hinweis (Abs 2).
Rn 4
Bereits im Vollstreckungstitel selbst ist der Verpflichtete auf die Folgen einer Zuwiderhandlung hinzuweisen und über diese zu belehren. Die Hinweispflicht gilt auch für gerichtlich gebilligte Vergleiche nach §§ 86 I Nr 2, 156 II (BVerfG NJW 11, 2347; BGH FamRZ 16, 1763). Wird die aus dem Titel folgende Verpflichtung später durch einen Vergleich verändert, bedarf es eines erneuten Hinweises (BGH FamRZ 16, 1763, 1765).
Rn 5
Der Hinweis ist grds in den Tenor der Entscheidung aufzunehmen. Er kann aber auch textlich abgesetzt am Schluss der Entscheidung erfolgen (Oldbg FamRZ 16, 845). Fehlt der Hinweis im Tenor, ist er in der Begründung, zB durch eine eigene Überschrift, deutlich kenntlich zu machen (Oldbg NZFam 16, 37; Giers NZFam 20, 4, 5; BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 11; aA Keuter FamRZ 16, 1732, 1733). Der Hinweis muss für Laien verständlich sein, weshalb eine bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts nicht ausreicht (Hamm NZFam 16, 279; Schlesw FamRZ 16, 845). Beim Vergleich kann er an den Billigungsbeschluss angehängt werden, aber auch gesondert erfolgen (Haußleiter/Gomille Rz 5). Ist Letzteres der Fall, so können Verstöße gegen den Vergleich nicht geahndet werden, bevor nicht der Hinweis den Beteiligten zugestellt wurde (Celle Beschl v 3.11.23 – 10 WF 183/23). Ordnungsgeld und Ordnungshaft müssen als mögliche Ordnungsmittel benannt und ihre jeweilige Höchstsumme bzw Höchstdauer angegeben werden (Brandbg FamRZ 19, 1946; Oldbg FamRZ 14, 145; Frankf FamRZ 21, 218 [für korrekt angedrohtes Ordnungsgeld unschädlich, dass Höchstdauer Ordnungshaft nicht angegeben]). Die Verhängung von Ordnungshaft ist dabei unzulässig, wenn nicht zuvor gem § 89 II auf die gesetzliche Höchstdauer der Haft und das Erfordernis des Verschuldens bei der Zuwiderhandlung hingewiesen wurde (Naumbg NZFam 23, 124; so auch: Hamm NZFam 16, 279). Ein unterbliebener oder fehlerhafter Hinweis ist nachholbar, und zwar auch noch in der Rechtsmittelinstanz durch das Beschwerdegericht selbst (Schlesw FamRZ 16, 845).
II. Vertretenmüssen einer Zuwiderhandlung (Abs 4).
Rn 6
Grundlegend setzt die Festsetzung eines Ordnungsmittels einen zu vertretenden Verstoß gegen einen Vollstreckungstitel zur Herausgabe von Personen oder zur Regelung des Umgangs voraus. Eine Zuwiderhandlung ist jedes Verhalten, das der sich aus dem Titel ergebenden Verpflichtung widerspricht (Celle BeckRS 23, 3780). Bereits an einer Zuwiderhandlung fehlt es, wenn ein Kind infolge einer Rückführungsanordnung nach Art 12 HKÜ fristgemäß in seinen Heimatstaat zurückkehrt (Brandbg NZFam 23, 138). Die Anordnung verlange weder die Rückkehr an einem bestimmten Ort noch die Herausgabe des Kindes an eine bestimmte Person. Ebenso fehlt es an einer Zuwiderhandlung, wenn sich die Umgangsberechtigten (Eltern) außergerichtlich einvernehmlich einigen, von dem Titel dergestalt abzuweichen, dass die sich aus ihm ergebende Pflicht zur Umgangsermöglichung entfällt (Brandbg FamRZ 23, 1389).
Rn 6a
Die Zuwiderhandlung kann auch durch den Umgangsberechtigten erfolgen, wenn gerichtlich angeordnete Umgangstermine nicht eingehalten werden (Frankf NJW-RR 22, 1515 [OLG Frankfurt am Main 22.08.2022 - 6 WF 112/22]). Dies ist konsequent, denn in § 1684 I BGB wird die Pflicht zum Umgang dem Recht bewusst vorangestellt (Grüneberg/Götz § 1684 BGB Rz 1).
Rn 6b
Ein Ordnungsmittel kann aufgrund seines Sanktionscharakters zudem nur angeordnet werden, wenn der Verpflichtete seine Zuwiderhandlung zu vertreten hat. Das Vertretenmüssen umfasst auch hier Vorsatz und Fahrlässigkeit (vgl § 276 BGB) und wird in § 89 IV grds vermutet (Karlsr FamRZ 15, 2000). Der Verpflichtete muss deshalb die Umstände darlegen und beweisen, die ihn ohne eigenes Verschulden daran gehindert haben, den Vollstreckungstitel zu befolgen (KG FamRZ 17, 919, 920: Depression; Frankf FamRZ 22, 551: nur bei ernsthafter Kontaktverweigerung durch das Kind; Hambg FamRZ 21, 1406: gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Familien). Erforderlich ist eine detaillierte Erläuterung (BGH-NJW RR 12, 324, 326; Brandbg FamRZ 20, 44). Ein bloßer Hinweis auf die abstrakte Gefahr einer Corona-Infektion genügt nicht (Schlesw FamRZ 20, 1373; Brandbg NJW-RR 20, 887; Braunschw FamRZ 20, 1372; Frankf FamRZ 21, 198). Auch ein stornierter Rückflug genügt nicht zur Exkulpation, wenn es der Vater, der zur Übergabe des Kindes verpflichtet war, verpasst hat, gebotene und zumutbare Vorsorge für einen Alternativflug zu treffen (KG NJW-RR 22, 1590). Ebenso handele schuldhaft iSd Vorschrift, wer alleine und ohne Rücksprache mit dem anderen Elternteil einen Urlaub mit dem Kind wahrnimmt, was zum Ausfall des durch gerichtlich gebilligten Vergleich geregelten Umgangs des anderen Elternteils führe (Celle FamRZ 24, 48). Ebenso wenig genügt der pauschale Hinweis auf das Kindeswohl. Denn sieht ein Elternteil wirklich das Kindeswohl als gefährdet an, so besteht ausreichender Schutz durch die Möglichkeit der Titelabänderung nach § 93 I Nr 4 (Braunschw NZFam 22, 1135). Rechtfertigende Gründe können auch noch nachträglich vorgebracht werden und führen...