I. Geschäftsfähige (Nr 1).
Rn 3
Nach Abs 1 Nr 1 sind die nach Bürgerlichem Recht voll (§§ 2, 104 ff BGB) geschäftsfähigen Personen auch verfahrensfähig. Ihrer Verfahrensfähigkeit steht bspw die Anordnung einer Pflegschaft (§§ 1911, 1913 BGB aF bzw §§ 1820, 1884 BGB nF) oder einer Prozesspflegschaft (§ 57 ZPO) entgegen.
II. Beschränkt Geschäftsfähige (Nr 2).
Rn 4
Verfahrensfähig sind nach dieser Bestimmung auch die beschränkt Geschäftsfähigen, bspw, wenn sie zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts (§ 112 BGB) oder zur Dienst- oder Arbeitsaufnahme (§ 113 BGB) ermächtigt sind. Eine beschränkte Geschäftsfähigkeit kann sich auch aus dem Öffentlichen Recht ergeben (Begr zu § 9 RegE in BTDrs 16/6308, 180). Mängel können rückwirkend bis zum Abschluss des Verfahrens in der Beschwerdeinstanz geheilt werden (Holzer/Holzer § 9 Rz 4). Ein 14-jähriges Kind ist im Verfahren nach § 1666 BGB nicht nach Abs 1 Nr 3 verfahrensfähig (Frankf NJW-RR 22, 874 [OLG Hamm 24.01.2022 - 13 WF 210/21]; München ZKJ 20, 67 ff [OLG Schleswig 08.11.2018 - 8 WF 170/18]), wohl aber in Verfahren nach §§ 1632 Abs 4 S 1 BGB, 151 Nr 3 FamFG (Ddorf ZKJ 20, 104 f [OLG Düsseldorf 13.08.2019 - 6 WF 169/19]). Die minderjährige Mutter ist im Verfahren über die elterliche Sorge verfahrensfähig (Frankf ZKJ 23, 303 ff [OLG Frankfurt am Main 23.02.2023 - 4 UF 162/22]).
III. Beschränkt Geschäftsfähige nach Vollendung des 14. Lebensjahres (Nr 3).
Rn 5
Die Bestimmung erweitert die Verfahrensfähigkeit für beschränkt Geschäftsfähige nach Vollendung des 14. Lebensjahres und ermöglicht die eigenständige Geltendmachung von Rechten im kindschaftsrechtlichen Verfahren ohne Mitwirkung gesetzlicher Vertreter. Sie schafft ein Pendant zu den Widerspruchs- und Mitwirkungsrechten des genannten Personenkreises (zB § 1671 Abs 2 Nr 1 BGB) und stellt den notwendigen Gleichlauf von Verfahrensrecht und materiellem Recht her (Begr zu § 9 RegE in BTDrs 16/6308, 180).
IV. Kraft Gesetzes verfahrensfähige Personen (Nr 4).
Rn 6
Nach dieser Bestimmung sind Personen verfahrensfähig, die durch das FamFG oder ein anderes Gesetz dazu bestimmt werden. Dies gilt insb für das Betreuungs- und Unterbringungsrecht. Mit den §§ 275 Abs 1, 316 (dazu BGH MDR 21, 441, 442 [BGH 02.12.2020 - XII ZB 456/17]) wird die verfahrensrechtliche Gleichstellung geschäftsunfähiger Betroffener erreicht, nicht aber ihre Besserstellung – beachte Abs 2 hinsichtlich Informationspflicht. Nr 4 gilt nicht für Ausländer, deren Verfahrensfähigkeit sich nach der in ihrem Heimatland angeordneten Geschäftsfähigkeit richten. Analog § 55 ZPO reicht es jedoch aus, wenn sie nach deutschem Recht verfahrensfähig wären. Deutsches Recht ist auch für die Geschäfts- und Verfahrensfähigkeit anerkannter Asylbewerber maßgeblich (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller § 9 Rz 9).