Rn 2

Voraussetzung für § 96 I ist, dass ein Titel vorliegt, in dem eine Unterlassungsanordnung nach § 1 GewSchG getroffen wurde. Eine solche Anordnung kann bspw die Verbote beinhalten, die Wohnung oder den Arbeitsplatz der verletzten Person zu betreten oder Kontakt mit ihr aufzunehmen. Der Titel muss hinreichend bestimmt sein, um eine Vollstreckung zu ermöglichen. Zudem muss eine noch andauernde Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot gegeben sein. Dies ist etwa dann der Fall, wenn sich der Verpflichtete nach wie vor an einem Ort aufhält, den er nach dem Titel nicht betreten darf. Auf ein Verschulden des Verpflichteten kommt es, anders als bei § 95 I Nr 4 FamFG iVm § 890 ZPO, nicht an. Der Gläubiger hat im Vollstreckungsverfahren den Vollbeweis einer schuldhaften Zuwiderhandlung zu führen (KG FamRZ 21, 707).

 

Rn 3

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann die verletzte Person ohne Einschaltung eines Gerichts den Gerichtsvollzieher mit der Durchsetzung des Titels beauftragen (§ 753 ZPO). Widersetzt sich der Verpflichtete dem Gerichtsvollzieher, kann dieser Gewalt anwenden und zur Unterstützung polizeiliche Hilfe anfordern (§ 758 III ZPO). Nach Maßgabe des § 759 ZPO hat der Gerichtsvollzieher zudem Zeugen hinzuzuziehen. Die praktische Bedeutung dieser Vorschrift ist allerdings gering, da Gerichtsvollzieher feste Dienstzeiten haben und idR kein Bereitschaftsdienst besteht. Im Falle eines Verstoßes außerhalb der Dienstzeiten ist ein schnelles Eingreifen eines Gerichtsvollziehers deshalb oft nicht gewährleistet (BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 4). Der Verweis auf den neuen § 757a ZPO (s.o. § 87 Rn 7) hat wegen § 95 I FamFG, der ohnehin die Anwendung der Vorschriften über die Zwangsvollstreckung nach der ZPO anordnet, eine bloß klarstellende Wirkung (BTDrs 19/27636, 36).

 

Rn 4

§ 96 I 3 macht zudem deutlich, dass die Möglichkeit, einen Gerichtsvollzieher zu beauftragen, die Zwangsmittel nach §§ 890, 891 ZPO (Ordnungsgeld und Ordnungshaft) keineswegs verdrängt, sondern nur ergänzt. Der Berechtigte kann auch beide Zwangsmaßnahmen gleichzeitig geltend machen.

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