Gesetzestext
(1) Die Vollstreckung eines durch rechtskräftigen Beschluss oder gerichtlichen Vergleich titulierten Anspruchs nach § 1598a des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Duldung einer nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft durchgeführten Probeentnahme, insbesondere die Entnahme einer Speichel- oder Blutprobe, ist ausgeschlossen, wenn die Art der Probeentnahme der zu untersuchenden Person nicht zugemutet werden kann.
(2) Bei wiederholter unberechtigter Verweigerung der Untersuchung kann auch unmittelbarer Zwang angewendet, insbesondere die zwangsweise Vorführung zur Untersuchung angeordnet werden.
A. Allgemeines.
Rn 1
§ 96a enthält besondere Regelungen für die Vollstreckung in Abstammungssachen (vgl § 169 Nr 2). Nach Abs 1 ist die Vollstreckung eines Titels auf Duldung einer Probeentnahme zum Zwecke der Klärung der Abstammung ausgeschlossen, wenn die Art der Probeentnahme für den Verpflichteten unzumutbar ist. Abs 2 sieht vor, dass bei einer wiederholten, unberechtigten Weigerung auch unmittelbarer Zwang angeordnet werden kann.
B. Ausschluss der Probeentnahme (Abs 1).
Rn 2
§ 96a I betrifft den Fall, dass ein Anspruch auf Duldung einer Probeentnahme zur Klärung der leiblichen Abstammung eines Kindes nach § 1598a BGB rechtskräftig tituliert worden ist. Typischerweise wird die Entnahme einer Speichel- oder Blutprobe angeordnet. Die Vollstreckung dieses Anspruchs erfolgt grds nach § 95 I Nr 4 FamFG iVm § 890 ZPO durch die Verhängung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft. Unter den Voraussetzungen des § 96a II ist auch der Einsatz von unmittelbarem Zwang möglich.
Rn 3
Eine Vollstreckung des rechtskräftigen Titels scheidet nach § 96a I aus, wenn die Art der Probeentnahme dem Verpflichteten nicht zugemutet werden kann. Dies ist jedoch nur anzunehmen, wenn die Untersuchung für den Verpflichteten erhebliche gesundheitliche Schäden zur Folge hätte (BTDrs 16/6561, S 16). Weitere erb-, unterhalts- oder vermögensrechtliche Folgen der Untersuchung sind hingegen bei der Frage nach der Zumutbarkeit der Untersuchung nicht zu berücksichtigen. Gleiches gilt für mögliche Konsequenzen der Untersuchung für den ehelichen Frieden, für den Verlust des Berufs oder auch für strafrechtliche Folgen (Inzestverbot). Schließlich führen auch entgegenstehende religiöse Überzeugungen nicht zu einer Unzumutbarkeit, sodass auch von Mitgliedern der Religionsgemeinschaft ›Zeugen Jehovas‹ Blut abgenommen werden kann (Nürnbg FamRZ 96, 1155), wenn und soweit die Speichelprobe als weniger einschneidendes Mittel ausscheidet.
Rn 4
Da bei einer Speichelprobe erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen für den Verpflichteten kaum denkbar sind, sind Fälle des § 96a I äußerst selten. Sie beschränken sich auf Situationen, in denen der momentane Gesundheitszustand des Verpflichteten so schlecht ist, dass jegliche weitere Belastung unbedingt vermieden werden muss.
Rn 5
Der Verpflichtete muss den Einwand der Unzumutbarkeit, wenn er zu einer Vorführung abgeholt wird, gegenüber dem Gerichtsvollzieher erklären, der hierüber in freier Beweiswürdigung selbst entscheidet (Sternal/Giers Rz 3). Gegen eine Verhängung von Ordnungsmitteln nach §§ 890, 891 ZPO oder gegen die Anordnung von unmittelbarem Zwang nach Abs 2 kann der Verpflichtete die sofortige Beschwerde nach § 87 IV erheben.
C. Unmittelbarer Zwang (Abs 2).
Rn 6
Voraussetzung für die Anordnung unmittelbaren Zwangs nach § 96 II ist, dass sich der Verpflichtete wiederholt unberechtigt geweigert hat, der Untersuchung nachzukommen. Auch hier findet das Ultima-Ratio-Prinzip des unmittelbaren Zwanges Ausdruck. Das Gericht muss die fehlende Berechtigung der Weigerung inzident prüfen. Eine wiederholte Weigerung liegt erst bei mindestens zwei vergeblichen Versuchen vor. Unmittelbarer Zwang in Form einer Vorführung ist unter den Voraussetzungen der §§ 178 II, 96a zulässig, wenn die Untersuchungsperson zuvor förmlich durch das Gericht zu einem bestimmten Termin geladen worden ist (Celle NJW-RR 22, 77 [OLG Celle 11.10.2021 - 21 WF 133/21]).
Rn 7
Die Anordnung des unmittelbaren Zwanges erfolgt durch ausdrücklichen gerichtlichen Beschluss. §§ 90 I, 92 I sind entsprechend anzuwenden.