Prof. Dr. Caroline Sophie Rupp
1. Allgemeines.
Rn 5
I normiert in inhaltlicher Fortführung des § 606a I ZPO aF 4 gleichrangige Alt für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Diese sind abschließend, hinzutreten kann allenfalls in Ausnahmefällen eine Notzuständigkeit (s Zö/Geimer Rz 120, 137). Internationaler Zuständigkeit deutscher Gerichte steht nicht entgegen, dass das Scheidungsstatut religiöse Gerichtsbarkeit vorsieht, da Art 17 III EGBGB zur Rechtsgewährung verpflichtet (BGHZ 160, 332; BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 12).
2. Heimatzuständigkeit.
Rn 6
Nr 1 verlangt die deutsche Staatsangehörigkeit wenigstens eines Ehegatten. Deren Vorliegen ist vAw zu ermitteln u bestimmt sich nach StAG; bei Mehrstaatern muss sie nicht die effektive Staatsangehörigkeit sein (Art 5 I 2 EGBGB, vgl Stuttg FamRZ 89, 760; Schulte-Bunert/Weinreich/Martiny Rz 21). Wohnsitz bzw Aufenthalt im Inland sind unerheblich. EU-Bürger sind nach Art 6 III Brüssel IIb-VO gleichzustellen, ebenso Flüchtlinge, Staatenlose u nach hM anerkannte Asylberechtigte (MüKoFamFG/Rauscher Rz 49 ff). Für Alt 1 genügt der Staatsangehörigkeitserwerb während des Verfahrens (BGH NJW 82, 1940), auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz (BGHZ 53, 128; NJW 77, 498); während laufenden Einbürgerungsverfahrens ist das Verfahren auszusetzen (Zö/Geimer Rz 80; str). Für Alt 2 (›Antrittszuständigkeit‹) genügt eine vor Verfahrensbeginn verlorene frühere deutsche Staatsangehörigkeit im Eheschließungszeitpunkt.
3. Aufenthaltszuständigkeit.
Rn 7
Nr 2 knüpft an den gewöhnl Aufenthalt beider Ehegatten im Inland an. Der Begriff ist wie in § 122 auszulegen, maßgeblich sind der tatsächliche Daseinsmittelpunkt u die auf Dauer angelegte soziale Eingliederung (ausf BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 16 f; MüKoFamFG/Rauscher Rz 63 ff). Gewöhnl Aufenthalt jedes Ehegatten genügt, Gemeinsamkeit ist nicht erforderlich.
4. Staatenlose.
Rn 8
Nr 3 begründet die internationale Zuständigkeit durch den gewöhnl Aufenthalt (nur) eines staatenlosen Ehegatten im Inland. Die Regel findet nur selten Anwendung (vgl Musielak/Borth/Frank/Frank Rz 13; Schulte-Bunert/Weinreich/Martiny Rz 24).
5. Anerkennungsprognose.
Rn 9
Nach Nr 4 wirkt der gewöhnl Aufenthalt nur eines Ehegatten im Inland (vgl Rn 7) zuständigkeitsbegründend, wenn nicht die Nichtanerkennung der Entscheidung in den Heimatstaaten beider Ehegatten zu erwarten ist. Dies soll hinkende Scheidungen vermeiden. Vorzunehmen ist eine Anerkennungsprognose für beide Heimatrechte; bei Mehrstaatern ist die effektive Staatsangehörigkeit maßgeblich (AG Kaiserslautern IPRax 94, 223; MüKoFamFG/Rauscher Rz 83 – aA Schulte-Bunert/Weinreich/Martiny Rz 28; Zö/Geimer Rz 108). Die Nichtanerkennung muss offensichtlich, dh ohne nähere Prüfung anzunehmen sein; bei gebotener restriktiver Handhabung ist im Zweifel von einer Anerkennung auszugehen (Nürnbg FamRZ 01, 837, 838; näher BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 20). Keine Anerkennungsprognose ist erforderlich, wenn die Heimatrechte die Ehe nicht (mehr) als bestehend ansehen (BeckOKFamFG/Sieghörtner Rz 21 mwN). Wird die Anerkennungsprognose im Laufe des Verfahrens negativ, kann die internationale Zuständigkeit entfallen (BGH NJW 84, 1305, 1306 [BGH 21.09.1983 - IVb ZR 360/81]; Zö/Geimer Rz 112 ff – aA MüKoFamFG/Rauscher Rz 95 f). Für die Durchführung der Anerkennungsprognose kann auf positive u negative Länderübersichten zurückgegriffen werden (zB Musielak/Borth/Frank/Frank Rz 20 f; Staud/Spellenberg Anh zu § 98 FamFG). Das Erfordernis der Anerkennungsprognose kann ferner aufgrund bilateraler Rechtshilfeverträge entfallen (ausf Zö/Geimer Rz 134 f).