Prof. Dr. Caroline Sophie Rupp
I. Alternative Zuständigkeiten.
Rn 5
I 1 bietet entspr § 35b I FGG aF iVm §§ 43 I, 64 III, 70 IV FGG aF zwei alternative Anknüpfungen für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Anknüpfungsperson ist das betroffene Kind. Nach Nr 1 wirkt dessen deutsche Staatsangehörigkeit zuständigkeitsbegründend (sog Heimatzuständigkeit, vgl § 98 Rn 6), wobei es nicht auf deren Effektivität ankommt (zum MSA BGH NJW 97, 3024). Nr 2 begründet eine Aufenthaltszuständigkeit bei gewöhnl Aufenthalt in Deutschland (vgl § 98 Rn 7; zu rechtswidrigen Aufenthaltsveränderungen MüKoFamFG/Rauscher Rz 40 ff). Ausgenommen sind Verfahren betr die freiheitsentziehende Unterbringung Minderjähriger (§ 151 Nr 7), diese unterliegen § 105.
II. Fürsorgezuständigkeit.
Rn 6
Nach I 2 wird (entspr § 35b II FGG aF) die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte auch durch ein Fürsorgebedürfnis betr Person oder Vermögen des Kindes begründet. Es liegt idR vor bei asylsuchenden Kindern ohne Sorgeberechtigte im Inland, bei Aufenthalt des Minderjährigen in einem ausländischen Flüchtlingslager und der Sorgeberechtigten im Inland (Sternal/Dimmler Rz 76), oder bei Anwendbarkeit deutschen Rechts (MüKoFamFG/Rauscher Rz 45).
III. Konkurrierende Zuständigkeit.
Rn 7
In Fortführung des § 47 FGG aF iVm § 70 IV FGG aF koordinieren II–IV die parallele Zuständigkeit deutscher und ausländischer Gerichte, insb bei deutschen Kindern mit gewöhnl Aufenthalt im Ausland (Bumiller/Harders/Schwamb/Bumiller Rz 8). Die Regel für Vormundschaftsanordnungen (§ 151 Nr 4) wird durch IV auf Pflegschaften bzw gerichtliche Vertreterbestellungen (§ 151 Nr 5) u Genehmigungen freiheitsentziehender Unterbringung nach §§ 1631b, 1795 I 3, 1813 I BGB (§ 151 Nr 6) erstreckt.
Rn 8
II erlaubt (Ermessensentscheidung) das Absehen von einer Anordnung im Inland, wenn im Ausland bereits ein entspr Verfahren anhängig ist u es dem Kindesinteresse entspricht; Voraussetzung ist eine Schutzgewährleistung in gleichem Maße durch das ausl Verfahren (Sternal/Dimmler Rz 76). Gg ablehnenden Beschluss ist Beschwerde (§ 58) möglich (MüKoFamFG/Rauscher Rz 60). Durch inländische Anordnung werden ausl Anordnungen für deutsche Rechtsverhältnisse unwirksam (Hamm FamRZ 03, 253).
Rn 9
Bei im Inland bereits bestehender Vormundschaft ermöglicht III 1 die Abgabe an ein ausländisches Gericht nach Ermessen, sofern sie dem Interesse des Kindes entspricht, alle Vormünder zustimmen (bei Verweigerung Ersetzung durch das übergeordnete Gericht, III 2, dessen Abgabebeschluss unanfechtbar ist, III 3) u der ausl Staat zur Übernahme bereit ist. Die inländische Vormundschaft endet mit Abgabe u lebt bei Rückkehr ins Inland nicht wieder auf. In umgekehrter Anwendung kann auch eine ausl Vormundschaft durch ein deutsches Gericht übernommen werden (MüKoFamFG/Rauscher Rz 68).