I. Familiensachen und FamFG.
Rn 5
Für die Unterstellung der Familiensachen unter das Regime der freiwilligen Gerichtsbarkeit spricht eine gegenüber dem früheren ›Verbundverfahren‹ der ZPO verstärkte Entformalisierung und Beschleunigung des Verfahrens sowie eine einheitliche, leichter durchschaubare Regelungsstruktur ohne Mehrfachregelungen, die die Wertigkeit des Verfahrens für die Betroffenen unterstreicht (Allgemeine Begründung zum RegE in BTDrs 16/6308, S 162).
II. Integration der Familiensachen in das FamFG.
Rn 6
Die Zusammenführung der Familiensachen mit den ›Kernverfahren‹ der freiwilligen Gerichtsbarkeit im FamFG ist hingegen rechtssystematisch verfehlt und sollte korrigiert werden (Nedden-Boeger FGPrax 09, 144, 150; Maass ZNotP 06, 282, 283). Wie die Konzeption des § 113 zeigt, ist für Ehe- und Familienstreitverfahren die Geltung der meisten Vorschriften des Buchs 1 ausgeschlossen, sodass die ZPO anwendbar ist. Dieses Regelungskonzept ist systematisch angreifbar und stellt gegenüber dem früheren Verbundverfahren der ZPO keinen Fortschritt dar (Rakete-Dombeck/Türck-Brocker NJW 09, 2069). Ein Mehrwert wird daher durch die Integration der Familiensachen in das FamFG nicht erreicht (Holzer/Holzer § 113 Rz 3; Coester-Waltjen, JurA 09, 358, 360: ›Patchwork‹). Es wäre daher rechtspolitisch wünschenswert, die Familiensachen aus dem FamFG in ein eigenständiges Gesetz auszugliedern.
III. Formalisierung der Kernverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit.
Rn 7
Die Schaffung eines für alle Verfahren geltenden ›allgemeinen Teils‹ in Buch 1 des FamFG ist nicht gelungen. Zwar schafft seine deutliche Anlehnung an die Regeln des Zivilprozesses (zB in den §§ 17–21, 30–34, 38, 41–48) mehr Rechtssicherheit, stört aber das Verfahren für die nichtstreitigen Kernverfahren erheblich (Maass ZNotP 06, 282, 283). Diese methodische Diskrepanz stellt sich als Hauptproblem des FamFG dar und könnte durch eine Neugliederung des Buchs 1 in Vorschriften für streitige und nichtstreitige Verfahren in Kombination mit der Herauslösung bestimmter nichtstreitiger Kernverfahren aus dem FamFG (Maass ZNotP 06, 282, 289) verbunden werden, wie es im Hinblick auf die Registersachen gefordert wird (Nedden-Boeger FGPrax 09, 144).
IV. Anwendbarkeit des Buchs 1.
Rn 8
Die Anwendbarkeit des Buchs 1 auf die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und die Familiensachen ist problematisch. Nicht nur bei Letzteren (Groß, AnwBl. 09, 567), sondern auch bei den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit müssen alle Vorschriften von Buch 1 in jedem Einzelfall auf ihre Anwendbarkeit geprüft werden. Als struktureller Mangel erweist sich dabei, dass diese in den Registerverfahren des FamFG sowie im Grundbuch- und Schiffsregisterrecht meist unanwendbar sind, weil sie nicht der Eigenart dieser Verfahren entsprechen (Prütting/Helms/Holzer vor §§ 374–409 Rz 21 f; Hügel/Holzer § 1 Rz 38 ff).
V. Evaluation des FamFG.
Rn 9
Die Evaluation des FamFG hat keinen wesentlichen Änderungsbedarf aufgedeckt und die Konzeption des Gesetzes weitgehend bestätigt. Das überrascht nicht, weil die Evaluation methodisch fragwürdig war und die die freiwillige Gerichtsbarkeit betreffenden Bücher 1–8 bei der Befragung unterrepräsentiert waren (Holzer NotBZ 18, 365; ders. NotBZ 18, 409, 417). Die Evaluation des FamFG steht daher der notwendigen Fortsetzung der Reform der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht entgegen, in deren Rahmen auch die vielfältigen Redaktionsversehen des Gesetzes (zu deren Ausgestaltung und Ursachen Holzer ZNotP 16, 172, 173 ff) bereinigt werden sollten.