Gesetzestext
1Unter Aufsicht des Richters können Referendare Rechtshilfeersuchen erledigen und außer in Strafsachen Verfahrensbeteiligte anhören, Beweise erheben und die mündliche Verhandlung leiten. 2Referendare sind nicht befugt, eine Beeidigung anzuordnen oder einen Eid abzunehmen.
A. Sinn und Zweck.
I. Anwendungsbereich.
Rn 1
Die Vorschrift gilt nur für Referendare im juristischen Vorbereitungsdienst (§ 5b DRiG), wobei es nicht auf das Bestehen eines Beamtenverhältnisses ankommt. Sie soll den in der praktischen Ausbildung insb bei den Gerichten befindlichen Referendaren bereits frühzeitig ein Erlernen richterlicher Tätigkeiten in dem im Tatbestand abschließend beschriebenen Rahmen ermöglichen (vgl allg zu dem Thema Eckert JuS 01, 1003; Gruschwitz DRiZ 12, 239). § 10 GVG gilt über allg Verweisungen (zB §§ 173 VwGO, 9 II ArbGG) auch für andere Gerichtsbarkeiten. Rechtsreferendare und -referendarinnen, die als Repräsentanten staatlicher Gewalt auftreten und als solche wahrgenommen werden, müssen die Pflicht des Staates zu weltanschaulich-religiöser Neutralität beachten. Der in Neutralität zu erfüllende staatliche Auftrag der Rechtspflege und der öffentlichen Verwaltung kann durch das Einbringen religiöser Bezüge beeinträchtigt werden. Nach der Rspr des BVerfG (NJW 17, 2333 [BVerfG 27.06.2017 - 2 BvR 1333/17]) können sich Musliminnen, die ein in der für ihren Glauben typischen Weise gebundenes Kopftuch tragen, auch im Rahmen des juristischen Vorbereitungsdienstes im Grundsatz auf den Schutz der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit aus Art 4 GG berufen (vgl VGH München, BayVBl 18, 672 [VGH Bayern 07.03.2018 - 3 BV 16.2040], zum sog ›Kopftuchverbot‹ im Einstellungsbescheid). Nimmt der Referendar sonstige richterliche Aufgaben wahr, führt dies zur Unwirksamkeit (Meyer-Goßner § 10 GVG Rz 7; Kissel/Mayer § 10 Rz 18; Musielak/Voit/Wittschier GVG § 10 Rz 13). Die in § 10 S 2 GVG genannten Einschränkungen gelten im Bereich der Strafrechtspflege auch in Jugendstraf- und Bußgeldsachen (OWiG).
II. Ausbildungsziele.
Rn 2
Entspr den einschlägigen Landesgesetzen sollen die Referendare im Vorbereitungsdienst nicht nur mit den praktischen Aufgaben und Arbeitsweisen in der Rechtspflege vertraut gemacht werden, sondern sie sollen auch zu selbstständigem Arbeiten, Entschlussbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein herangebildet werden (vgl zB § 23 I und II JAG Saar). Der Erreichung dieser Ausbildungsziele dient § 10 GVG in besonderem Maß. Eine wesentliche Ergänzung der Referendarausbildung stellt die Möglichkeit zur Teilnahme an Beratungen und Abstimmungen dar (§ 193 I GVG); sie setzt aber die Zuweisung an das konkrete Gericht und die Gestattung durch den Vorsitzenden voraus.
B. Leitung einer mündlichen Verhandlung.
Rn 3
Die Leitung einer mündlichen Verhandlung durch den Referendar muss ebenso wie die Aufsichtsführung im Protokoll zum Ausdruck kommen. Die Befugnis zur Verhandlungsleitung gilt wegen § 28 II 2 DRiG nicht für Sitzungen von Kollegialgerichten (str aA Musielak/Voit/Wittschier GVG § 10 Rz 10 und MüKoZPO/Zimmermann § 10 GVG Rz 10), umfasst keine Entscheidungen über einen Ausschluss der Öffentlichkeit (§§ 169 ff GVG) oder Maßnahmen der Sitzungspolizei (§§ 176 ff GVG; ebenso Kissel/Mayer § 10 Rz 16; aA MüKoZPO/Zimmermann § 10 GVG Rz 9 mit Ausn rechtsmittelfähiger Entscheidungen nach § 181 GVG) und lässt sich nicht auf die Verkündung von Urteilen ausdehnen.
C. Erledigung von Rechtshilfeersuchen.
Rn 4
Nach hM umfasst der Begriff der ›Erledigung‹ nicht die Stellung eines (eigenen) Rechtshilfeersuchens an andere Gerichte und nicht die Ablehnung eines Rechtshilfeersuchens (§ 158 II 1 GVG). Neben den eigentlichen Rechtshilfeersuchen iS der §§ 156 ff GVG können Referendaren auch alle Amtshilfeersuchen zwischen Gerichten und Behörden, und von der Staatsanwaltschaft beantragte richterliche Untersuchungshandlungen nach § 162 StPO übertragen werden (zur weiten Auslegung des Merkmals in § 10 S 1 GVG bereits Celle NJW 67, 993 [OLG Celle 01.12.1966 - 1 Ss 113/66]).
D. Vernehmung von Zeugen.
Rn 5
Nach einer Zeugenvernehmung durch den Referendar (dazu Pfeiffer/Buchinger JA 05, 138) bleibt nicht nur eine etwaige Beeidigung der Aussage, sondern bereits deren Anordnung wegen des ausdrücklichen Verbots (§ 10 S 2 GVG) dem Richter vorbehalten. Entspr gilt für die Abnahme eidesstattlicher Versicherungen.
E. Aufsicht durch den Richter.
I. Verantwortlichkeit des Richters.
Rn 6
Die Ausbildung muss zwingend ›unter Aufsicht des Richters‹ erfolgen. Dieser bleibt mit Blick auf das Prinzip des gesetzlichen Richters (Art 101 I 2 GG, § 16 S 2 GVG) und das sog Richtermonopol (Art 92 I GG) allein verantwortlich für die korrekte Erfüllung der dem Referendar übertragenen richterlichen Aufgabe. Die Tätigkeit des Referendars im Aufgabenbereich des § 10 GVG ist daher durchgehend von dem zuständigen Richter zu beaufsichtigen. Fehler sind ggf sofort zu korrigieren. Das gilt insb für die Vernehmung von Zeugen (KG Berlin NJW 74, 2094). Eine nachträgliche Kontrolle von Niederschriften durch den Richter genügt nicht. Die Anforderungen an die Beaufsichtigung der Referendare bei der Wahrnehmung richterlicher Aufgaben sind nach hM daher trotz vergleichbaren Wortlauts strenger als im Bereich der Wahrnehmung von Aufgab...