Gesetzestext
(1) 1Bei den Oberlandesgerichten werden Zivil- und Strafsenate gebildet. 2Bei den nach § 120 zuständigen Oberlandesgerichten werden Ermittlungsrichter bestellt; zum Ermittlungsrichter kann auch jedes Mitglied eines anderen Oberlandesgerichts, das in dem in § 120 bezeichneten Gebiet seinen Sitz hat, bestellt werden.
(2) 1Die Landesregierungen werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung außerhalb des Sitzes des Oberlandesgerichts für den Bezirk eines oder mehrerer Landgerichte Zivil- oder Strafsenate zu bilden und ihnen für diesen Bezirk die gesamte Tätigkeit des Zivil- oder Strafsenats des Oberlandesgerichts oder einen Teil dieser Tätigkeit zuzuweisen. 2Ein auswärtiger Senat für Familiensachen kann für die Bezirke mehrerer Familiengerichte gebildet werden.
(3) Die Landesregierungen können die Ermächtigung nach Absatz 2 auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.
A. Bildung der Senate.
Rn 1
Es müssen mindestens ein Zivil- und ein Strafsenat gebildet werden. Familiensenate (s.a. § 119 Rn 8) gehören zu den Zivilsenaten. Die Anzahl bestimmt die Justizverwaltung nach dem jeweiligen AusfG zum GVG, idR der Präsident des OLG. Einen Senat für Handelssachen sieht das Gesetz nicht vor. Die Geschäftsverteilung kann aber bestimmen, dass ein Zivilsenat für alle Rechtsmittel gegen Entscheidungen der KfH zuständig ist. Das Verhältnis der Senate untereinander wird durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmt.
Rn 2
Neben den Zivil- und Strafsenaten schreiben verschiedene gesetzliche Bestimmungen die Bildung weiterer ständiger (Spezial-)Senate vor, zB Familiensenat (§ 119 II), Senat für Baulandsachen (§ 229 BauGB), Senat für Landwirtschaftssachen (§ 2 LwVG), Kartellsenat (§ 91 GWB) usw (vgl die Zusammenstellung bei Kissel/Mayer Rz 2 ff) sowie Spruchkörper in berufs- und ehrengerichtlichen Verfahren (zB § 77 DRiG, § 100 BRAO, § 101 BNotO, § 96 StBerG). Die Aufgabenzuweisung an diese Senate erfolgt nicht durch den Geschäftsverteilungsplan, sondern kraft Gesetzes. Dem Präsidium bleibt die personelle Ausstattung vorbehalten. Kompetenzstreitigkeiten zwischen verschiedenen Senaten desselben Gerichts werden grds durch eine Auslegung des Geschäftsverteilungsplans durch das Präsidium gelöst (BGH NJW 00, 80, 81), nicht nach § 36 ZPO, der einen Kompetenzkonflikt zwischen verschiedenen Gerichten voraussetzt. Eine Analogie zu § 36 ZPO kommt allerdings dann in Betracht, wenn zumindest die Zuständigkeit eines betroffenen Senats sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt, weil es sich dann nicht mehr um eine bloße Auslegung des Geschäftsverteilungsplans handelt.
B. Auswärtige Senate.
Rn 3
Die Änderung des bisherigen Abs 2 und die Einführung des Abs 3 (Subdelegation) beruhen auf Art 17 Nr 4 des G vom 19.4.06 (BGBl I, 866). Die Familiensenate sind in die Regelung einbezogen worden (Abs 2 S 2). Die Bildung und die Aufgabenzuweisung erfolgt durch RechtsVO. Auswärtige Senate können für Zivil- und Strafsachen nur für den kompletten Bezirk eines oder mehrerer Landgerichte gebildet werden, auswärtige Familiensenate ohne Rücksicht auf LG-Bezirke für den Bezirk eines oder mehrerer Familiengerichte. Die auswärtigen (detachierten) Senate sind Teil des Stammgerichts. Das Präsidium bestimmt lediglich den Vorsitzenden und die Mitglieder des auswärtigen Senats. Fristgebundene Schriftsätze, die für den auswärtigen Senat bestimmt sind, können auch beim Stammgericht fristwahrend eingereicht werden (Frankf NJW-RR 98, 1369 [OLG Frankfurt am Main 24.10.1997 - 15 U 201/97]) und umgekehrt (Karlsr NJW 84, 744). Bei einem Kompetenzkonflikt zwischen einem auswärtigen Senat und einem Senat des Stammgerichts handelt es sich, da die Bildung des auswärtigen Senats nicht durch den Geschäftsverteilungsplan erfolgt, um eine Streitigkeit, die nach § 36 ZPO zu entscheiden ist (BayObLGZ 94, 119 ff). Ein bei einem auswärtigen Senat unter Widerrufsvorbehalt geschlossener Vergleich kann wirksam vor dem Stammgericht widerrufen werden (Frankf JMBl HE 91, 179 ff für den umgekehrten Fall). Das gilt jedoch nicht, wenn in dem Vergleich als Adressat des Widerrufs ausdrücklich der auswärtige Senat vereinbart ist (BGH NJW 80, 1753).