Rn 9
Auch für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nicht verfassungsrechtlicher Art (§ 40 I VwGO) stellt sich zunächst die Frage einer speziellen anderweitigen (›abdrängenden‹) Sonderzuweisung. So begründet der § 112a BRAO zB für den Streit um eine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft (§§ 6 ff BRAO) als verwaltungsrechtlicher Anwaltssache die ausschließliche Zuständigkeit der Anwaltsgerichtsbarkeit (vgl zur Zuständigkeitsabgrenzung nach § 112a BRAO ferner BGH NJW 11, 2303 [BGH 02.03.2011 - AnwZ (B) 50/10] betr Nichtweitergabe von Akteninhalten an Dritte durch eine Rechtsanwaltskammer; VGH Mannheim DÖV 12, 856, Rügerecht des Vorstands). Positive (›aufdrängende‹) Zuweisungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeit finden sich seit jeher im Beamtenrecht. Die beamtenrechtlichen Vorschriften betr Schadensersatzansprüche des Dienstherrn gegen den Beamten enthalten abschließende Regelungen und lassen daher einen Rückgriff auf allg Bestimmungen des Deliktsrechts nicht zu. Derartige Streitigkeiten sind gem § 126 BRRG bzw § 54 BeamtStG im Verwaltungsrechtsweg zu entscheiden (BGH NVwZ 09, 928 [BGH 09.04.2009 - III ZR 200/08]; BVerwG NVwZ 99, 77 [BVerwG 16.07.1998 - BVerwG 2 C 12/98]; 96, 182; OVG Koblenz NVwZ-RR 05, 477 [OVG Rheinland-Pfalz 28.05.2004 - 2 A 12079/03/OVG]). Die spezielle Zuweisung in § 126 BBG erfasst Ansprüche des Beamten gegen den Dienstherrn aus Fürsorgepflichtverletzung, wegen § 17 II 2 GVG aber nicht einen konkurrierenden Amtshaftungsanspruch (VGH München Beschl v 19.6.12 – 6 C 12.857; § 17 Rn 16). Der § 126 I BRRG weist auch nach Inkrafttreten des BeamtStG weiterhin (§ 63 II 3 BeamtStG) alle Klagen von Beamten ›aus dem Beamtenverhältnis‹ dem Verwaltungsrechtsweg zu und erfasst auch die Geltendmachung eines Besoldungsanspruchs nach dessen Abtretung durch einen privaten Dritten, etwa ein Kreditinstitut (BGH WM 13, 1641). Die Abwehr von Besitzstörungen hat im Verwaltungsrechtsweg zu erfolgen, wenn die öffentliche Hand den Besitz durch hoheitlichen Akt (Besitzeinweisung) erlangt hat (Rostock MDR 2016, 238 [OLG Rostock 23.12.2015 - 3 U 56/15]). Dagg ist der Streit um Rechte und Pflichten aus einer Bürgschaft auch dann vor den ordentlichen Gerichten auszutragen, wenn die gesicherte Forderung öffentlich-rechtlicher Natur ist (BSG, Beschl v 12.4.18 – B 14 SF 1/18 R, Rz 10, juris; BVerwG, Beschl v 12.3.18 – 10 B 25/17, Rz 6, juris; BGHZ 178, 243, WM 08, 2153). Diese Zuweisung kann im Einzelfall auch nur die anwendbare Prozessordnung bedingen. So betrifft die Geltendmachung eines Anspruchs auf Freizeitausgleich für eine Personalratstätigkeit (§ 46 II 1 BPersVG) nicht die Rechtsstellung der Personalvertretung bzw eines einzelnen Mitglieds, sondern die Folgen für die dienstrechtliche Stellung des Personalratsmitglieds und insoweit einen Anspruch aus dem Beamtenverhältnis. Er ist vor den Verwaltungsgerichten nach den Vorschriften der VwGO und nicht im personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahren geltend zu machen (OVG Koblenz PersV 11, 316 [OVG Rheinland-Pfalz 24.02.2011 - 10 A 11079/10]). Für Abwehransprüche gegen Äußerungen eines Sektenbeauftragten einer Kirche ist der Verwaltungsrechtsweg gegeben (BGH DÖV 02, 86 [BGH 24.07.2001 - VI ZB 12/01]), da die Verfassung in Art 140 GG, 137 WRV den Kirchen eine ggü den Bürgern und anderen Religionsgemeinschaften herausgehobene Stellung zuerkennt (BVerwG NJW 84, 989, VGH München DÖV 10, 787; allg Rn 1). Unterlassung und Widerruf herabsetzender Äußerungen eines Amtsträgers, die in dienstlicher Eigenschaft abgegeben werden, sind ebenfalls vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen (BGH NJW 78, 1860 [BGH 28.02.1978 - VI ZR 246/76]; BVerwG NJW 88, 2399 [BVerwG 04.02.1988 - BVerwG 5 C 88.85]). In diesen Fällen richtet sich der Anspruch auf Richtigstellung, Widerruf oder (künftige) Unterlassung grds gegen die Kirche bzw gegen die jew Behörde, solange der konkret Handelnde seinen dienstlichen Auftrag nicht so deutlich verlassen hat, dass ihr die Erklärung schlechterdings nicht mehr zugerechnet werden kann (VGH München DÖV 10, 787). Die Feststellung des dienstlichen Charakters bzw eines funktionalen Zusammenhangs mit der hoheitlichen Aufgabenerfüllung im Gegensatz zu rein privaten Äußerungen kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten (VGH München Beschl v 13.10.09 – 4 C 09.2145, zu einem ›Bürgerinformationsbrief‹ eines kommunalen Amtsträgers, VGH Kassel DVBl 12, 1176, ›Rundmail‹ eines Bürgermeisters). Umfasst werden zB ehrverletzende Äußerungen eines Mandatsträgers einer Stadt in einer Ratssitzung (VGH München BayVBl 13, 674 [BGH 13.09.2012 - III ZB 3/12]; anders bei einer Fraktionssitzung: LG Dortmund Urt v 1.8.14 – 3 O 500/13 – juris) oder allg zum dienstlichen Verhalten ihrer Mitarbeiter (OVG Saarlouis Urt v 17.10.13 – 2 A 303/12) oder Streitigkeiten im Aufsichtsrat einer kommunalen Gesellschaft zwischen Mandatsträgern über die angebliche Verletzung von Verschwiegenheitspflichten (München Beschl v 26.1.05 – 8 W 602/05). Dieselben Grundsätze finden Anwendung auf Erklärungen be...