Rn 10
Die Einordnung als in § 40 I VwGO von der Zuweisung an die Verwaltungsgerichte ausgenommene verfassungsrechtliche Streitigkeit ist nicht allein nach formalen, an die Stellung der Beteiligten anknüpfenden Gesichtspunkten vorzunehmen. In der Rspr wird allerdings überwiegend am Kriterium der sog ›doppelten Verfassungsunmittelbarkeit‹ festgehalten, das für die Annahme einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit in personeller Hinsicht erfordert, dass beide Streitsubjekte Verfassungsorgane, Teile davon oder sonst mittelbar am Verfassungsleben beteiligte Stellen oder Personen sind (vgl etwa OVG Bln/Bbg Beschl v 7.9.17 – OVG 3 S 76/17 – juris mwN aus der höchstrichterl Rspr: Streit zwischen am Verfassungsleben beteiligten Subjekten über materielles Verfassungsrecht bzw zumindest entscheidend vom Verfassungsrecht geprägte Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten). Mit dieser Begründung wurde zB für die Klage eines Privatklägers auf Aufhebung der parlamentarischen Immunität einer Abgeordneten des BT (Art 46 II GG) und ehemaligen Bundesministerin wegen deren Einlassungen im Zusammenhang mit den Ärzteprotesten Ende 2006 eine verfassungsrechtliche Streitigkeit verneint und daher der Verwaltungsrechtsweg bejaht (OVG Bln/Bbg NStZ-RR 12, 55 [OVG Berlin-Brandenburg 26.09.2011 - OVG 3a B 5.11], iE unter Verneinung der Antragsberechtigung eines Privatklägers). Auch bei einer Streitigkeit zwischen einem Bürger und einem am Verfassungsleben teilhabenden Organ ist indes zu fragen, ob dieses in spezifisch verfassungsrechtlicher Funktion in Anspruch genommen wird, ob mithin ein zentraler Bereich der dem Organ von Verfassungs wegen zukommenden Betätigung berührt ist. Das ist zB der Fall, wenn sich ein Privater gegen die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses einschl seiner Benennung oder gegen die Festlegung des Untersuchungsauftrags durch einen Landtag zur Wehr setzt (OVG Saarlouis AS 30, 99). Bei der späteren Wahrnehmung der ihm iR dieses Untersuchungsauftrags übertragenen Aufklärung bestimmter Sachverhalte wird der Untersuchungsausschuss hingegen mit den entspr Konsequenzen auch für das Prozessrecht (§ 61 Nr 3 VwGO) ggü dem Bürger nicht in spezifisch verfassungsrechtlicher Funktion, sondern wie eine Behörde tätig. Von daher bleibt es bei Streitigkeiten um Rechte eines Betroffenen im Untersuchungsverfahren bei der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte (OVG Saarlouis SKZ 03, 78 u NVwZ-RR 03, 253 [VerfGH Thüringen 06.06.2002 - VerfGH 14/98], NVwZ 10, 1315). Aufgrund von Verweisungsvorschriften (etwa Art 44 II 1 GG, Art 79 IV SVerf) kann sich in dem Zusammenhang eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für Maßnahmen iRd Beweiserhebung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses allg oder insoweit ergeben, als einschlägige strafprozessuale Vorschriften den Strafverfolgungsbehörden die Zuziehung des Richters gebieten (OVG Münster NJW 91, 584, BGH DVBl 10, 1311). Das BVerwG hat einem Untersuchungsausschuss des Niedersächsischen Landtags auch hinsichtlich der von diesem erstrebten Vorlage von Unterlagen durch das Bundeskanzleramt über Vorgänge im Zusammenhang mit der Schachtanlage Asse II die Stellung einer Behörde iSv Art 35 I GG beigemessen und, obgleich das Begehren auf Gewährung von Amtshilfe in der Verfassung selbst begründet war, darauf abgestellt, dass die Beweiserhebung auch in diesem Fall nicht das verfassungsrechtliche Grundverhältnis zwischen Bund und Land betreffe, sondern sich nach den Regelungen des einfachen Rechts bestimme. Die Beweiserhebung durch den Untersuchungsausschuss stelle sich als materielle Verwaltungstätigkeit dar, so dass mangels einer anderweitigen ausdrücklichen Zuweisung iS von § 40 I 2 Hs 2 VwGO der Verwaltungsrechtsweg bejaht wurde (BVerwG Buchholz 310 § 40 VwGO Nr 305, auch zur Abgrenzung vom verfassungsrechtlichen Bund-Länder-Streit).