Rn 7
Eine Vorlagepflicht besteht nicht, wenn ein Senat von einer nur beiläufig geäußerten Rechtsansicht eines anderen Senates abweichen will (Anders/Gehle/Hunke Rz 9). Liegt bei zumindest einer von mehreren alternativen Begründungen kein Divergenzfall vor, ist eine Vorlage unzulässig (vgl BGH, Beschl v 17.3.15, GSSt 1/14 – juris). Wird der Senat bei sog Rückläufern im Fall einer Zurückverweisung an das OLG erneut mit der Sache befasst, ist er an seine frühere Rechtsansicht nicht mehr gebunden, wenn er sie zwischenzeitlich in einer anderen Entscheidung aufgegeben hat. Gerade bei dem Rückläufer selbst soll er aber nach hM aus Gründen des Vertrauensschutzes seine Rechtsansicht nicht erstmals ändern dürfen; eine Divergenzvorlage kommt nicht in Betracht (MüKoZPO/Pabst Rz 9 mN). Hat der Große Senat über eine Vorlage noch nicht entschieden, und will ein anderer Senat von der im Vorlagebeschluss dargelegten Rechtsansicht abweichen, ist ein erneuter Vorlagebeschluss erforderlich, da auch der Vorlagebeschluss eine ›Entscheidung‹ iSd Abs 2 darstellt (MüKoZPO/Pabst Rz 10 mN); die bloße Anfrage nach Abs 3 S 1 soll dagegen noch nicht zu einer Vorlage zwingen (BGH NJW 94, 2299). Die Entscheidung im Vorlageverfahren ist mittelbar für alle Senate bindend, da sie von der Entscheidung des Großen Senats nicht ohne erneute Vorlage abweichen dürfen. Will ein Senat von seiner eigenen früheren Rechtsauffassung abweichen, liegt kein Fall der Divergenz vor, wenn die Identität des Senats gegeben ist (Kissel/Mayer Rz 17); dasselbe gilt, wenn zwischenzeitlich aufgrund der Geschäftsverteilung ein anderer Senat für die Materie allein zuständig ist und er von der Entscheidung des früher zuständigen Senats abweichen will (BAG NJW 88, 2816 [BAG 24.11.1987 - 8 AZR 524/82]). Eine Divergenz besteht auch dann nicht, wenn der andere Senat seine Rechtsauffassung aufgeben hat (Kissel/Mayer Rz 21). Keine Vorlagepflicht besteht, wenn die strittige Rechtsfrage durch eine Gesetzesänderung (BGHZ 15, 207), eine Entscheidung des BVerfG (BGH NJW 98, 908, 909), eine Entscheidung des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder in Fragen des Gemeinschaftsrechts durch eine Entscheidung des EuGH (BSG NJW 74, 1063 [BSG 29.01.1974 - 8/2 RU 226/72]) geklärt ist. Der BGH (NJW 16, 91, 97 [BGH 10.06.2015 - 2 StR 97/14]) nimmt das auch bei EGMR-Entscheidungen an, was wegen der fehlenden unmittelbaren Bindungswirkung zT bestritten wird (Zö/Lückemann Rz 4). Hält ein Senat entgegen der Ansicht eines anderen Senates eine Vorschrift für verfassungswidrig, ist eine Vorlage an den Großen Senat grds unzulässig, da diesem die umfassende Entscheidungskompetenz fehlt (Verwerfungsmonopol des BVerfG, Art 100 GG); bei vorkonstitutionellen Gesetzen, bei denen nach hM das BVerfG kein Verwerfungsmonopol hat, kommt dagegen die Vorlage in Betracht, wenn ein anderer Senat die Verfassungsmäßigkeit abweichend beurteilt hat.