Gesetzestext
Die Gerichte haben sich in Zivilsachen und in Strafsachen Rechtshilfe zu leisten.
A. Gegenstand.
Rn 1
Rechtshilfe ist der im Bereich der rechtsprechenden Tätigkeit geleistete Beistand (Celle NJW 67, 993 [OLG Celle 01.12.1966 - 1 Ss 113/66]). Gegenstand der Rechtshilfe ist eine Amtshandlung, zu deren unmittelbarer Vornahme das ersuchende Gericht an sich berechtigt wäre und die es nur aus Zweckmäßigkeitsgründen einem anderen Gericht überträgt (RGZ 115, 368, 369; Beispiele: Eröffnung eines durch das OLG neugefassten Haftbefehls durch das AG, Stuttg 14.11.22 – 1 Ws 223/22; Anhörung einer Partei nach § 141 ZPO, Brandbg 8.6.23 – 1 AR 14/23 [SA Z] = NZV 23, 566).
Die Rechtshilfe obliegt dem Gericht, nicht unbedingt dem Richter. Im Rahmen der ihm übertragenen Aufgaben kann auch der Rechtspfleger um Rechtshilfe ersuchen (Karlsr FamRZ 94, 638: persönliche Anhörung des Betroffenen im Betreuungsverfahren) oder Rechtshilfe leisten (Frankf NJW 70, 1050: Vervollständigung des Erbscheinsantrags und die Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers über die Richtigkeit seiner Angaben nach § 2356 II BGB).
Die behördliche Amtshilfe betrifft Hilfeleistungen außerhalb eines Weisungsverhältnisses in Angelegenheiten, die der ersuchten Behörde nicht als eigene Aufgabe obliegen (§ 4 II VwVfG). Bei eigenen Aufgaben die der betreffenden Behörde bereits spezialgesetzlich außerhalb der Amtshilferegelungen als Hilfeleistungen (auch) ggü anderen Behörden übertragen sind, ergibt sich die Pflicht zur Hilfeleistung nicht erst aufgrund des Ersuchens der auf die Hilfe angewiesenen Behörde (BGHZ 148, 139 = NJW 01, 2799). Die Amtshilfe umfasst insb Amtshandlungen, die die ersuchende Behörde aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht selbst vornehmen kann (§ 5 VwVfG). Die Gewährung von Akteneinsicht an eine Behörde, die nicht selbst Verfahrensbeteiligter ist (Notar), stellt keine Rechtshilfe iSd §§ 156 ff GVG, sondern Amtshilfe dar (BayObLG FamRZ 98, 33).
B. Grundlage.
Rn 2
Die verfassungsrechtliche Grundlage ist Art 35 GG, wonach sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Rechts- und Amtshilfe leisten. Die §§ 156 ff gelten für die ordentliche Gerichtsbarkeit (§ 2 EGGVG). Zivilsachen sind die bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, die Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 13). Bestimmungen, wonach Rechtshilfe (und Amtshilfe) in entsprechender Anwendung auch in anderen Angelegenheiten zu leisten ist, finden sich tw in anderen Verfahrensordnungen (§ 13 ArbGG, § 14 VwGO, § 5 SGG, § 13 FGO, § 128 PatG, § 95 MarkenG tw in den AGGVG der Länder (z.B. § 87 GVGAG SchlH: § 76 AGGVG NRW).
C. Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland.
Rn 3
Die richterliche Tätigkeit ist grds auf den eigenen Hoheitsbereich beschränkt. Dieser Grundsatz kann nur mit Zustimmung des jeweils in Betracht kommenden ausländischen Staates durchbrochen werden. Die Frage, ob eine solche Zustimmung herbeigeführt oder von einer bereits erteilten Zustimmung Gebrauch gemacht werden soll, fällt in den Bereich der Beziehungen zu anderen Staaten, deren Pflege der Bundesregierung zugewiesen ist (BGHZ 71, 9 = NJW 78, 1425). Dies gilt auch dann, wenn der unmittelbare Geschäftsweg zwischen den Gerichten zugelassen ist und Ersuchen dem Empfänger ohne die Vermittlung der Justizministerien zugeleitet werden können (BGH NJW 83, 2769 [BGH 14.06.1983 - RiZ (R) 2/83]). Im Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen ist die ZRHO zu beachten (in der aktuellen Fassung abrufbar auf der Homepage des Justizministeriums NRW unter www.rechtshilfe-international.de), die als Verwaltungsvorschrift die Formalien der Rechtshilfe und den Geschäftsweg regelt, auf dem die Zuleitung an das ersuchte Gericht erfolgt.
Rn 4
Die internationale Rechtshilfe wird geleistet auf Grund europäischen Gemeinschaftsrechts, auf Grund einer zwischenstaatlichen Vereinbarung (vertraglicher Rechtshilfeverkehr) und auf Grund gegenseitigen Entgegenkommens (vertragloser Rechtshilfeverkehr), § 3 I ZRHO. Zu den wichtigsten multilateralen Übereinkommen zählen va für die Zustellung von Schriftstücken das HZÜ, für die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen das HBÜ, für Unterhaltssachen das Haag-Unterh-Übk, für zivilrechtliche Aspekte der Kindesentführung das HKÜ und für den Minderjährigenschutz das HSÜ. Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen richtet sich nach dem AVAG. Einen Überblick über die einzelnen Rechtshilfemaßnahmen und die gebräuchlichen Formulare bietet die von der Justiz des Landes NRW gestaltete Internetseite http://www.ir-online.nrw.de.
Rn 5
Innerhalb der EU ist die Rechtshilfe Teil der justiziellen Zusammenarbeit, die im Programm zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung umgesetzt wird. Die unmittelbar geltenden Rechtsvorschriften der EU, die ggü zwischenstaatlichen Vereinbarungen Vorrang haben, sind zugänglich unter https://eur-lex.europa.eu/homepage.html.