I. Verfassungsrechtliche Grundlagen.
Rn 1
Die Vorschrift entspricht Art 101 I GG und setzt die darin enthaltene Gewährleistung des gesetzlichen Richters um. Sie ist als gerichtsverfassungsrechtliche Ausprägung des allg Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art 3 I GG, Willkürverbot) anzusehen und gehört zu den im Verletzungsfall mit der Verfassungsbeschwerde reklamierbaren ›Justizgrundrechten‹ (Art 93 I Nr 4a GG; § 90 I BVerfGG). Ausnahmegerichte iSd Art 101 I 1 GG, § 16 S 1 GVG sind solche Gerichte, die in Abweichung von der gesetzlichen Zuständigkeit besonders gebildet und zur Entscheidung einzelner konkreter oder individueller Fälle berufen sind (BVerfG, Beschl v 10.6.58 – 2 BvF 1/56, BVerfGE 8, 174 [BVerfG 10.06.1958 - 1 BvF 1/56], Rz 24; vgl auch Braunschw, Beschl v 11.9.17 – 10 U 82/17, Rz 57, juris). ›Gericht‹ in diesem Sinne meint auch einzelne Spruchkörper. Art 101 I 2 GG garantiert eine Entscheidung durch den sich aus den Prozessordnungen sowie Geschäftsverteilungsplänen und Besetzungsregeln des Gerichts ergebenden Richter (BVerfG NJW 13, 1058 [BVerfG 19.03.2013 - 2 BvR 2628/10]). Da es dabei um Mindestanforderungen an die prozedurale Gerechtigkeit und um Waffengleichheit als Voraussetzung einer richtigen Entscheidung geht, können sich darauf nicht nur natürliche Personen, sondern alle im Gerichtsverfahren partei- bzw beteiligtenfähigen Vereinigungen (BVerfGE 3, 359 [BVerfG 26.02.1954 - 1 BvR 537/53]; NJW 91, 217), also insb inländische wie ausländische juristische Personen des privaten und des Öffentlichen Rechts, auch fremde Staaten, berufen (BVerfG Beschl v 16.10.13 – 2 BvR 736/13, griechische Schulen, vgl § 20 Rn 5). Gesetzlicher Richter ist nicht nur das erkennende Gericht als Spruchkörper, sondern insb auch der einzelne Richter als Person (BVerfGE 17, 294).
II. Vorbereitende Maßnahmen der Justizorganisation.
Rn 2
Dem Gesetzgeber obliegen allerdings bspw die ›vorentscheidende‹ Zuweisung von Rechtsstreitigkeiten zu einem bestimmten Rechtsweg, die Festlegung sachlicher und örtlicher Zuständigkeiten (Gerichtsstände, dazu BVerfGE 27, 18 [BVerfG 16.07.1969 - 2 BvL 2/69]) sowie die ansonsten notwendigen Akte der Justiz- und Gerichtsorganisation (zB § 3 VwGO) wie etwa die Bestimmung der Anzahl der Gerichte und die Festlegung ihres räumlichen Zuständigkeitsbereichs. Auch eine Befugnis von Stellen der Exekutive zur Festlegung der Zahl der Spruchkörper von Gerichten (etwa § 130 I 2 GVG betr BGH) ist mit Art 101 I 2 GG vereinbar, solange die Zuständigkeit der Organe der Rspr (Präsidien) für eine Zuteilung der Richter zu den einzelnen Spruchkörpern unberührt bleibt (BVerfGE 19, 52 [BVerfG 18.05.1965 - 2 BvR 40/60]).
III. Geltendmachung der Verletzung.
Rn 3
Die Nichtbeachtung des Gebots, das sicherstellen soll, dass dem Rechtssuchenden ein unbefangenes ›neutrales‹ Gericht ggü tritt, kann nach den gerichtlichen Verfahrensordnungen regelmäßig mit der sog Besetzungsrüge als absoluter Revisionsgrund geltend gemacht werden (§§ 547 Nr 1 ZPO; 338 Nr 1 StPO; 138 Nr 1 VwGO; 72 II Nr 3 ArbGG), sofern nicht im Einzelfall Präklusionsregelungen einschlägig sind (etwa § 222b StPO). Das zeigt indes, dass Verstöße gegen die ordnungsgem personelle Besetzung des Gerichts nicht zur Nichtigkeit der richterlichen Maßnahmen und Entscheidungen führen, sondern nur zu deren Anfechtbarkeit. Liegt ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter vor, ist die Entscheidung im Rechtsmittelverfahren aufzuheben, und zwar unabhängig von der Frage ihrer inhaltlichen Richtigkeit. Anstelle einer Zurückverweisung kann in besonderen Fällen eine Entscheidung des auch bei zutr Einordnung hinsichtlich der Zuständigkeit in erster Instanz übergeordneten Rechtsmittelgerichts in Betracht kommen (Köln OLGSt GVG § 78b Nr 5). Ist eine Geltendmachung unvorschriftsmäßiger Besetzung des Gerichts iRe Rechtsmittelverfahrens nicht möglich, eröffnet § 579 I Nr 1 iVm II ZPO die Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage. Die Beteiligten können auf den ›gesetzlichen Richter‹ auch nicht verzichten, wodurch sie gleichzeitig von unangemessenem Druck von außen freigestellt werden sollen.
IV. Besonderheiten beim Abschluss von gerichtlichen Vergleichen.
1. Grundkonstellation.
Rn 4
Die Rechtswirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs wird nicht dadurch berührt, dass er vor einem nicht zuständigen oder nicht ordnungsgem besetzten Gericht abgeschlossen worden ist (grdl BGH NJW 61, 1817 [BGH 28.06.1961 - V ZR 29/60]; zust Redeker/v. Oertzen § 106 Rz 5). Der Einwand der Verletzung des gesetzlichen Richters kann auch im Nachhinein ggü einer Vollstreckung aus dem Vergleich nicht mit Erfolg erhoben werden. Das verdeutlicht der Wortlaut des § 794 I Nr 1 ZPO, der lediglich verlangt, dass der Vergleich ›vor einem deutschen Gericht‹, also notwendig nicht einmal im durch die Rechtsordnung vorgesehenen Rechtsweg, geschlossen wurde. Das ist konsequent, da – unabhängig von den oftmals wesentlichen gerichtlichen Hinweisen und Ratschlägen iRd Vergleichsgesprächs – der Prozessvergleich in seiner Prozess beendenden Wirkung allein auf den einvernehmlichen Willensbekundungen der Parteien beruht und den die Erklärungen aufnehmenden Richtern nur beurkundende Funktion zukommt (BGH NJW 86, 1348, Vergleich nach nicht ordnungs...