Rn 2
Prozessbesucher und -beobachter müssen die Möglichkeit haben, während der Verhandlung im Gerichtssaal anwesend sein zu können (Saalöffentlichkeit, BVerfG 103, 44 = NJW 01, 1633 [BVerfG 24.01.2001 - 1 BvR 2623/95]). Damit soll in erster Linie die Kontrolle des Verfahrensgangs durch die Allgemeinheit ermöglicht werden. Die Öffentlichkeit ist gewährleistet, wenn sich jedermann ohne besondere Schwierigkeiten von dem Termin Kenntnis verschaffen kann und wenn der Zutritt iRd tatsächlichen Gegebenheiten eröffnet ist (BVerfG NJW 02, 814 [BVerfG 10.10.2001 - 2 BvR 1620/01], BGH NJW 89, 1741). Der Öffentlichkeitsgrundsatz ist verletzt, wenn dem Gericht bekannte Umstände Besuchern den Eindruck vermitteln, ihnen sei der Zutritt verwehrt, etwa durch ein Schild ›Nicht öffentlich‹ (Celle NStZ 12, 654). Auf einen Wechsel des Sitzungssaals ist hinzuweisen (Dresden StV 09, 682). Einlasskontrollen verstoßen nicht gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz (OVG Berlin-Brandbg NJW 10, 1620 [OVG Berlin-Brandenburg 26.03.2010 - OVG 3 N 33.10]) und bedürfen auch keiner Einzelfallprüfung (BGH NJW 10, 533). Auch die ständige Videoüberwachung des Eingangsbereichs des Gerichts stellt keinen Verstoß dar (LG Itzehoe NJW 10, 3525 [LG Itzehoe 02.06.2010 - 1 T 61/10]; aM VG Wiesbaden NJW 10, 1220 [VG Wiesbaden 20.01.2010 - 6 K 1063/09.WI]).
Rn 2a
In Ausübung des Hausrechts getroffene Maßnahmen aus Anlass der Covid-19-Pandemie dienen der Gewährleistung der Sicherheit im Gerichtsgebäude und verstoßen als solche nicht gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung (OVG Schleswig 22.7.20 – 5 LA 223/20, NJW 20, 3127). Die Datenerfassung aus Gründen des Gesundheitsschutzes stellt für Besucher einer Gerichtsverhandlung eine hinzunehmende Beeinträchtigung dar, die den Zugang zum Gerichtssaal für die jew Betroffenen obendrein allenfalls psychisch, nicht aber physisch hemmt (OVG Lüneburg 5.11.20 – 9 LA 115/20, NJW 21, 650). Das Erfordernis eines 3G-Nachweises (geimpft, genesen oder negativ getestet) ist eine während der Corona-Pandemie in vielen Bereichen des täglichen Lebens übliche und erwartbare Beschränkung zum Schutz der übrigen Anwesenden und erschwert den Zugang nicht in unzulässiger Weise. Nicht negativ getesteten Personen kann der Zutritt zum Sitzungssaal verweigert werden, Celle 2.8.21 – 2 Ws 230 u. 234/21, StRR 21, 16 [OLG Celle 02.08.2021 - 2 Ws 230/21].
Rn 3
Der Grundsatz der Öffentlichkeit der Verhandlung gebietet es nicht, dass jedermann weiß, wann und wo ein erkennendes Gericht eine Hauptverhandlung abhält. Es genügt vielmehr, dass jedermann die Möglichkeit hat, sich ohne besondere Schwierigkeiten davon Kenntnis zu verschaffen (BVerfG NJW 02, 814 [BVerfG 10.10.2001 - 2 BvR 1620/01]; BAG NZA 16, 1356 [BAG 21.09.2016 - 10 AZN 67/16]). Dem wird in der Praxis durch ein Terminsverzeichnis Rechnung getragen, das vor dem ersten Termin am Eingang zum Sitzungszimmer auszuhängen ist. Eine solche Anweisung enthalten § 6 IV der Aktenordnung und die Nr 3 der Zusatzbestimmungen zur Aktenordnung. Eines Aushangs vor dem Sitzungssaal bedarf es nicht zwingend, wenn Zuschauer auf andere Weise zumutbar in Erfahrung bringen können, wann und wo eine bestimmte Hauptverhandlung stattfindet, namentlich dann, wenn dies aus einem im Eingangsbereich des Gerichts angebrachten Aushang unzweifelhaft hervorgeht (KG 21.12.22 – (3) 121 Ss 165/22 (67/22) = NStZ 23, 704).
Rn 4
Der Ausschluss der Öffentlichkeit kann nur unter bestimmten, im Gesetz niedergelegten Voraussetzungen beschlossen werden. Liegen sie nicht vor, darf ein Ausschluss nicht erfolgen; es ist auch nicht erlaubt, diesen Ausschluss auf freiwilliger Basis zu erreichen (BGH NStZ 93, 450).