Gesetzestext
(1) 1Über die Ausschließung der Öffentlichkeit ist in nicht öffentlicher Sitzung zu verhandeln, wenn ein Beteiligter es beantragt oder das Gericht es für angemessen erachtet. 2Der Beschluss, der die Öffentlichkeit ausschließt, muss öffentlich verkündet werden; er kann in nicht öffentlicher Sitzung verkündet werden, wenn zu befürchten ist, dass seine öffentliche Verkündung eine erhebliche Störung der Ordnung in der Sitzung zur Folge haben würde. 3Bei der Verkündung ist in den Fällen der §§ 171b, 172 und 173 anzugeben, aus welchem Grund die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden ist.
(2) Soweit die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit ausgeschlossen wird, dürfen Presse, Rundfunk und Fernsehen keine Berichte über die Verhandlung und den Inhalt eines die Sache betreffenden amtlichen Schriftstücks veröffentlichen.
(3) 1Ist die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder aus den in §§ 171b und 172 Nr. 2 und 3 bezeichneten Gründen ausgeschlossen, so kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheimhaltung von Tatsachen, die durch die Verhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zu ihrer Kenntnis gelangen, zur Pflicht machen. 2Der Beschluss ist in das Sitzungsprotokoll aufzunehmen. 3Er ist anfechtbar. 4Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.
Rn 1
Die Verhandlung über den Ausschluss der Öffentlichkeit ist grds öffentlich. Jedoch muss das Gericht auf Antrag eines Beteiligten die Öffentlichkeit ausschließen; insoweit ist keine Begründung erforderlich. Das Gericht kann die Öffentlichkeit für diesen Verhandlungsteil auch ohne Antrag ausschließen, wenn es eine solche Entscheidung nach seinem Ermessen für angebracht hält.
Rn 2
Der Ausschluss der Öffentlichkeit für die Verhandlung in der Hauptsache bedarf eines öffentlich zu verkündenden und gem Abs 1 S 3 in den Fällen der §§ 171b, 172 und 173 zu begründenden Beschlusses. In der Begründung ist der konkrete Ausschließungsgrund zu nennen. Ist ein Zeuge nach seiner Vernehmung in nichtöffentlicher Sitzung entlassen worden und soll er nochmals unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen werden, ist dazu ein erneuter Gerichtsbeschluss erforderlich (stRspr, BGH 5.6.18 – 5 StR 159/18).
Rn 3
Ein Ausschluss ›gemäß § 171b I und II GVG‹ genügt dann, wenn der konkrete Ausschließungsgrund und der Vernehmungskomplex, für den der Ausschluss erfolgen soll, im Zusammenhang mit dem sich aus dem Protokoll ergebenden Antrag und der angegebenen Gesetzesvorschrift für alle Verfahrensbeteiligten sowie die im Gerichtssaal anwesenden Zuhörer auf der Hand liegt (BGH NStZ 04, 235); ebenso, wenn der Gerichtsbeschluss keine Begründung enthält, aber der Ausschließungsgrund des Schutzes der Privatsphäre des Opfers (§ 171b) oder der Gefährdung der Sittlichkeit (§ 172) oder beider zusammen für die Verfahrensbeteiligten und die Öffentlichkeit durch einen sich aus dem Beschl selbst ergebenden Hinweis auf den Verfahrensabschnitt zweifelsfrei erkennbar ist BGH NStZ 99, 92).
Rn 4
Die Begründung des Beschlusses dient va der Nachprüfungsmöglichkeit; sie muss den maßgebenden Grund eindeutig erkennen lassen. Es genügt auch die Angabe des Ausschlussgrundes mit den Worten des Gesetzes, wenn dieser damit eindeutig gekennzeichnet ist (BGH NJW 95, 3195 [BGH 10.05.1995 - 3 StR 145/95]), insb, wenn der Beschl auf eine Gesetzesbestimmung verweist, die nur einen einzigen Ausschließungsgrund enthält oder der Text des Beschlusses auf eine Gesetzesstelle Bezug nimmt (BGH NStZ 89, 442 [BGH 11.04.1989 - 1 StR 782/88]).
Rn 5
Im Rahmen des durch Abs 3 eröffneten Ermessens, auch hinsichtlich des von der Anordnung betroffenen Personenkreises, obliegt es grds dem Tatrichter, unter Berücksichtigung der Gesamtumstände über den erforderlichen Umfang der Geheimhaltungsverpflichtung zu entscheiden (BGH 14.10.20 – IV ZB 4/20, NJW-RR 20, 1389). Die Entscheidung muss erkennen lassen, ob sich das für die Geheimhaltungsanordnung zuständige Gericht des ihm zustehenden Ermessens bewusst war und welche Erwägungen für seine Entscheidung von Bedeutung gewesen sind (BGH 10.11.21 – IV ZB 40/20; 16.2.22 – IV ZB 21/21). Das Gericht ist nicht verpflichtet, von sich aus ohne Weiteres umfangreiche Ermittlungen über den Kenntnisstand der zu verpflichtenden Personen anzustellen, BGH 23.6.21 – IV ZB 23/20. Da die Verletzung des Schweigegebots gem § 353d Nr 2 StGB mit Kriminalstrafe bedroht ist, müssen die geheim zu haltenden Tatsachen in dem die Verschwiegenheitspflicht begründenden Gerichtsbeschluss konkret und so genau bezeichnet werden, dass die Bestimmtheit des Tatbestandes der Blankettvorschrift gewährleistet ist und die Grenzen der Strafbarkeit erkennbar sind (Brandbg 23.6.21 – 11 W 4/21).
Rn 6
Anfechtbar nach Abs 3 S 3 ist nur ein Beschluss, der eine Geheimhaltungsverpflichtung ausspricht. Gegen einen die Anordnung der Geheimhaltung nach Abs 3 ablehnenden Beschluss ist kein Rechtsmittel eröffnet (BGH 14.10.20 – IV ZB 8/20 = NJW-RR 20, 1386). Auch kann eine vom Gericht erlassene ...