I. Anliegen des Gesetzgebers und Anwendungsbereich.
Rn 1
§ 17a GVG behandelt die Modalitäten und die vom Gesetzgeber beabsichtigte Bindungswirkung einer Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs. Sie verhindert eine Rückverweisung, aber auch eine Weiterverweisung. Die Vorschrift schließt es im Erg sowohl aus, dass sich kein Gericht bezogen auf den Rechtsweg für zuständig hält, als auch, dass mehrere Gerichte verschiedener Rechtswege in der gleichen Sache ihre Zuständigkeit zur Sachentscheidung annehmen. Eine Gesamtschau der Regelungen in § 17a I, II 1, III 2, V GVG verdeutlicht, dass über die für das weitere Verfahren wesentliche Frage des zulässigen Rechtswegs möglichst frühzeitig und verbindlich entschieden und die Sache damit schnell und verlässlich dem gesetzlichen Richter zugeführt werden soll. Für die Verfahrensweise bei örtlicher oder sachlicher Unzuständigkeit finden sich – abgesehen von insoweit fehlenden Rechtsmittelmöglichkeiten – vergleichbare Regelungen in den einzelnen Prozessordnungen (§§ 281 ZPO, 202 SGG), wobei tw die §§ 17–17b ausdrücklich in Bezug genommen werden (§ 83 S 1 VwGO). Umstr ist die entsprechende Anwendung des § 17a auf rechtsweginterne Verweisungen außerhalb solcher Bezugnahmen (abl Hambg NStZ-RR 14, 255 [OLG Hamburg 25.06.2014 - 2 VAs 9/14]: Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke und der Vergleichbarkeit der Sachverhalte; Nürnbg NStZ 06, 654; Stuttg NJW 06, 2565; OVG Lüneburg Beschl v 7.4.11 – 13 OB 62/11 – juris; bejahend Karlsr NJW 13, 3738 [BGH 24.10.2013 - 4 StR 124/13]; Frankf NStZ-RR 10, 379 [BGH 05.08.2010 - 3 StR 269/10]; Hamm Beschl v 13.11.14 – III-1 Vollz [Ws] 533/14 – juris; für die instanzielle Zuständigkeit BVerwG NVwZ 02, 992 [BVerwG 17.04.2002 - BVerwG 3 B 137/01] [st Rspr]; LSG BW Urt v 12.1.17 – L 6 VS 578/16 – juris; BayVGH Beschl v 9.10.17 – 1 A 17.1789 – juris). Der BGH bejaht die Anwendbarkeit zwischen verschiedenen Sparten der ordentlichen Gerichtsbarkeit (BGH Beschl v 23.3.05 – 2 ARs 16/05 – juris). Überwiegend wird in der Rspr die Möglichkeit einer Verweisung nach § 17a an die Vergabekammer oder den Vergabesenat abgelehnt (SächsOVG DÖV 16, 740 mwN; LSG Thüringen Beschl v 17.8.18 – L 6 KR 708/18 B ER, juris). Auf die Frage der internationalen Zuständigkeit erstreckt sich § 17a nicht (BAG, BB 16, 308; BAGE 113, 327 [BAG 15.02.2005 - 9 AZR 116/04]). Im Verhältnis zum BVerfG finden die §§ 17 ff keine Anwendung, so dass eine Verweisung an die Verfassungsgerichtsbarkeit nicht in Betracht kommt (VGH München GRUR 07, 444).
II. Verbindliche Bejahung der Rechtswegzuständigkeit.
Rn 2
Aus § 17a I GVG folgt die Befugnis des angerufenen Gerichts, die als Prozessvoraussetzung zu prüfende Zulässigkeit des zu ihm beschrittenen Rechtswegs mit bindender Wirkung für Gerichte aller Gerichtsbarkeiten zu bejahen. Dies muss nicht explizit durch eine Vorabentscheidung nach § 17a III GVG geschehen, sondern kann auch dadurch erfolgen, dass sich das Gericht in seiner Entscheidung mit nachgeordneten Fragen der Zulässigkeit oder mit der Begründetheit des Rechtsbehelfs befasst, ohne die Rechtswegfrage zu thematisieren. Die Bindungswirkung tritt mit der formellen Rechtskraft (§ 705 ZPO) ein. Bei Hauptsacheentscheidungen gilt ferner die Prüfungssperre für das Rechtsmittelgericht (§ 17a V GVG). Keine idS nach § 17a V GVG bindende ›Entscheidung in der Hauptsache‹ liegt bei erstinstanzlicher Abweisung der Klage als unzulässig dann vor, wenn die Unzulässigkeit gerade mit der fehlenden Rechtswegzuständigkeit begründet wurde (BSG NVwZ-RR 00, 648 [BSG 16.06.1999 - B 9 V 24/98 R]; zur Kombination beider Bindungswirkungen BAG NZA 99, 390 [BAG 14.12.1998 - 5 AS 8/98]) oder über die Rechtswegzuständigkeit keine Entscheidung getroffen werden konnte, weil das Klagebegehren unklar war (BSG Beschl v 16.7.20 – B 1 KR 3/19 B juris). Gleiches gilt für das Rechtsmittelgericht, für das die Prüfungssperre dann nicht gilt, wenn die Entscheidung der ersten Instanz nicht unter Beachtung und Anwendung des § 17a erlassen worden ist. § 17a V findet nämlich keine entsprechende Anwendung, wenn das erstinstanzliche Gericht trotz Rüge eines Beteiligten nicht gem § 17a III 2 vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs, sondern erst zusammen mit der Sachentscheidung darüber befunden hat. Denn der Ausschluss der Rechtswegprüfung durch die Instanzgerichte ist nur gerechtfertigt, wenn die Beteiligten zuvor die Möglichkeit hatten, zumindest eine weitere Instanz im Wege der Beschwerde nach § 17a IV 3 zu befassen (OVG Saarlouis Beschl v 26.4.21 – 2 B 77/21 juris). Dem Anliegen des Gesetzgebers nach Vermeidung in der Sache divergierender Gerichtsentscheidungen trägt vor Eintritt der Rechtskraft die Rechtswegfestlegung des § 17 I 2 GVG Rechnung. Insoweit bleibt allerdings § 17a I GVG lex specialis; diese Bindungswirkung tritt daher auch ggü einem zuerst mit der Sache befassten Gericht ein, wenn das später angerufene in Unkenntnis der anderweitigen Anhängigkeit des Verfahrens seinen Rechtsweg für zulässig erklärt. Das gebundene Gericht hat den bei ihm anhängigen Rechtsbehelf nunmehr durch Prozessentscheidung abzuweisen.
III. Bindungswirkung und Streitgegenstand.
1. Prozesskostenhilfe.
...