I. Anwendungsbereich.
Rn 12
Nach § 17a V GVG sind die Gerichte, die über Rechtsmittel gegen Entscheidungen in der Hauptsache befinden, an eine – auch nur konkludente (dazu BSG NVwZ-RR 04, 463; anders Rostock NJW 06, 2563 [OLG Rostock 08.09.2005 - 7 U 2/05]) – Bejahung des Rechtswegs durch das Ausgangsgericht gebunden (sog Prüfungssperre). Das gilt auch, wenn über Amtshaftungsansprüche entschieden wurde (BSG Beschl v 5.3.15 – B 8 SO 38/14 BH, juris; BSG NVwZ-RR 04, 463; BAG JR 99, 308). Anderes gilt für kartellrechtliche Fragen: Hat ein Gericht entgegen § 87 S 2 GWB seine Zuständigkeit zur Entscheidung einer kartellrechtlichen Vorfrage angenommen, so stellt dies einen vom Rechtsmittelgericht vAw zu beachtenden Rechtsfehler dar, der nicht nach § 17a V GVG der Prüfung des Rechtsmittelgerichts entzogen ist (BAG Urt v 29.6.17 – 8 AZR 189/15, juris, BB 17, 2877). Nach dem Zweck der Bestimmung sind selbst Prozessurteile, die auf dem Fehlen sonstiger Voraussetzungen für eine Sachentscheidung beruhen, also nicht die Unzulässigkeit des Verfahrens (nur) mit der fehlenden Zuständigkeit begründen, als Hauptsacheentscheidungen anzusehen (BGH Urt v 21.9.17 – I ZR 58/16. juris; BSG NVwZ-RR 04, 463 [BSG 20.05.2003 - B 1 KR 7/03 R]; OVG Bremen Urt v 9.6.15 – 1 A 251/12 – juris). § 17a V GVG gilt auch in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (BGH NJW-RR 05, 142 [BGH 29.07.2004 - III ZB 2/04]; VGH München NJW 14, 2057), nicht allerdings für isolierte Prozesskostenhilfeanträge (OVG Lüneburg, Beschl v 27.1.15 – 4 PA 21/15 – juris). Unterlässt das erstinstanzliche Gericht eine nach § 17a II 2 GVG gebotene Vorabentscheidung, kann die Rechtswegzuständigkeit noch iR eines Rechtsmittels gegen die Sachentscheidung geprüft werden (BGH Beschl v 3.11.21 – XII ZB 289/21 – juris im Anschluss an BAG NJW 1993, 2458).
II. Nichteintritt der Prüfungssperre.
1. Missachtung der Anforderungen.
Rn 13
Hat das Erstgericht das Rechtsschutzersuchen unter Missachtung der Pflicht zur Verweisung des Rechtsstreits wegen Nichteröffnung des Rechtswegs (§ 17a II 1) als unzulässig abgewiesen, liegt bereits keine ›Hauptsacheentscheidung‹ im Verständnis des Gesetzes vor (VGH München NVwZ-RR 04, 224; BGHZ 119, 246; BVerwG, NJW 94, 956; OVG Münster NVwZ 94, 179; VGH Kassel NVwZ-RR 94, 700; ähnl BFH Beschl v 24.6.14 – X B 216/13 – juris). Ist die Einschätzung des Vordergerichts zutr, ist auf die Berufung hin die Verweisung durch das Rechtsmittelgericht unter Aufhebung der Ausgangsentscheidung nachzuholen (Frankf Beschl v 21.4.11 – 3 U 216/10; Musielak/Voit/Wittschier § 17a GVG Rz 18); bejaht das Rechtsmittelgericht die Rechtswegzuständigkeit, kommt eine Zurückverweisung in Betracht. Eine Bindungswirkung setzt voraus, dass zumindest konkludent der Rechtsweg bejaht wurde; sie tritt ferner nicht ein, wenn das Ausgangsgericht entgegen dem Grundanliegen des Gesetzgebers die Frage der Rechtswegeröffnung ausdrücklich offengelassen hat (OVG Hamburg DVBl 09, 397). Das Rechtsmittelgericht hat in diesem Fall eine eigene Rechtswegprüfung und bei negativem Erg ggf eine Verweisung an das erstinstanzliche Gericht des zulässigen Rechtswegs vorzunehmen und das ergangene Urt aufzuheben (Frankf MDR 09, 1243 [OLG Nürnberg 28.07.2009 - 5 W 1104/09]; NJW-RR 97, 1564 [OLG Frankfurt am Main 17.06.1997 - 22 U 207/95]). Gleiches gilt in Eilrechtsschutzverfahren, wenn nach besonderen Fallumständen erstinstanzlich mangels Anhörung des Gegners keine Rügemöglichkeit bestand (Ddorf MDR 16, 234 [BGH 16.10.2015 - V ZR 120/14]; Frankf NJW 97, 2391 [OLG Frankfurt am Main 04.03.1997 - 6 W 144/96]), und zwar auch bei Vorliegen einer sog Schutzschrift (Frankf NZA 07, 710 [LAG Köln 25.01.2006 - 7 Sa 831/05]).
2. Unsachgemäße Behandlung.
Rn 14
Die Bindung des Rechtsmittelgerichts setzt eine ordnungsgem Behandlung der Rechtswegfrage auf der Grundlage des § 17a II und III GVG, insb was das Anhörungsgebot (IV 1) betrifft, voraus (BGH NJW-RR 05, 142 [BGH 29.07.2004 - III ZB 2/04]). Nur in diesen Fällen ist der Ausschluss der Berufung bzw Revision zu dieser Frage gerechtfertigt. Häufigster Fall der Nichtanwendbarkeit des § 17a V GVG ist das Übergehen einer ordnungsgem, insb bei entspr Fristsetzung nach § 282 III 2 ZPO (dazu BGH BayVBl 09, 737 [BGH 09.04.2009 - III ZR 200/08]) rechtzeitigen Rüge (zum Rügeerfordernis allg VGH Mannheim DÖV 05, 165) der Unzulässigkeit des Rechtswegs durch eine Partei, indem nicht rechtsmittelfähig vorab, sondern erst iRd Hauptsacheentscheidung positiv über diese Frage entschieden wurde (§ 17a III 2 GVG, dazu BVerwG NJW 15, 2358 [BVerwG 19.02.2015 - BVerwG 1 C 13.14]; BGHZ 119, 246, 121, 367, und 130, 159; NJW 08, 3572; Celle OLGR 08, 177; BSG SGb 12, 402; BAG NJW 97, 1025 [BAG 21.08.1996 - 5 AZR 1011/94]; BFH, Beschl v 5.11.14 – VII B 113/14 – sowie Beschl v 24.6.14 – X B 216/13 – juris. Vgl auch BGH Urt v 21.9.17 – I ZR 58/16 – juris zu einem Sonderfall der Verneinung der Rechtswegzuständigkeit iRd Hauptsacheentscheidung trotz vorheriger Rüge). Andernfalls würde die gesetzlich vorgesehene Überprüfungsmöglichkeit im Wege der sofortigen Beschwerde durch eine verfahrensfehlerhafte Behandlung des Rechtsst...