I. Ad-hoc-Diplomatie.
Rn 2
Ein Hauptanwendungsfall des § 20 II GVG sind die sog Sonderbotschafter. Insoweit existiert eine von der Staatenpraxis mit Rechtsüberzeugung getragene gewohnheitsrechtliche Regel, wonach es möglich ist, von dem Entsendestaat mit einer besonderen politischen Mission, meist für konkrete Verhandlungsgegenstände, ausgestatteten ›ad-hoc-Botschaftern‹ durch Einzelabsprache mit dem Empfangsstaat über diese Aufgabe und über ihren Status Immunität zu verleihen und sie auf diese Weise den völkervertragsrechtlich geschützten Mitgliedern der ständigen Missionen der Staaten gleichzustellen (BGH NJW 84, 2048 [BGH 27.02.1984 - 3 StR 396/83]). Bestimmte Anforderungen an den Inhalt dieser besonderen Aufgabe werden nach den Regeln des Völkerrechts nicht gestellt, weshalb es auch keiner vorherigen detaillierten Beschreibung der Aufgabe der Sondermission bedarf (Ddorf MDR 83, 512).
II. Funktionelle und sachliche Staatenimmunität.
1. Oberhäupter fremder Staaten.
Rn 3
Über die Sonderregelung für Staatsbesuche in § 20 I GVG genießen Staatsoberhäupter fremder souveräner Staaten bereits aufgrund ihrer Stellung nach den allg Regeln des Völkerrechts (§ 20 II GVG, Art 25 GG) weitestgehende persönliche Immunität (auch) in Deutschland. Dies folgt aus dem Grundsatz der – nach Amtsverlust auch nachwirkenden – funktionellen Staatenimmunität. Allg Regeln des Völkerrechts, die nach Art 25 GG Bestandteil des (deutschen) Bundesrechts sind, liegen vor, wenn sie von der überwiegenden Mehrheit der Staaten, nicht notwendigerweise auch von der Bundesrepublik Deutschland, anerkannt werden (BVerfG NJW 63, 435 [BVerfG 30.10.1962 - 2 BvM 1/60]; zum Nichtbestehen eines allg völkerrechtlichen Grundsatzes sog ›freien Geleits‹ für Auslandszeugen BGH NJW 88, 3105 [BGH 24.02.1988 - 3 StR 476/87]). In Zweifelsfällen besteht nach Art 100 II GG eine Vorlagepflicht zum BVerfG. Nach einem idS allg anerkannten völkerrechtlichen Grundsatz ist es nicht zulässig, dass ein Staat über Hoheitsträger eines anderen Staates Gerichtsgewalt ausübt, wenn es um ein Verhalten iR seiner hoheitlichen Amtsausübung geht. Der Begriff der Amtshandlung ist völkerrechtlich im weitesten Verständnis aufzufassen. Darunter ist jeder Akt zu verstehen, der dem Staat in Verfolgung seiner politischen Ziele zuzurechnen ist (Köln NStZ 00, 667 [OLG Köln 16.05.2000 - 2 Zs 1330/99]). Dieses Verfahrenshindernis greift nur in den Ausnahmefällen nicht ein, in denen das konkrete Verhalten eines Staatsoberhaupts unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen Völkerstrafrecht inkriminiert ist. Auf diesem Gedanken beruhen auch sog internationale Kriegsverbrechertribunale. Nach dem Rechtsverständnis der Vereinten Nationen soll sich für bestimmte Kriegsverbrechen und andere Handlungen, die Verbrechen gegen den Frieden oder gegen die Menschlichkeit darstellen, das handelnde Individuum jedenfalls im Grundsatz nicht mehr darauf berufen können, es habe hoheitlich für seinen Staat gehandelt. Hinsichtlich des privaten Verhaltens eines Staatsoberhaupts während seiner Amtszeit lässt sich eine entspr völkerrechtlich allg anerkannte Immunitätsregel nicht feststellen (Kissel/Mayer § 20 Rz 11, insb zum Fall Pinochet).
2. Zivilrechtliche Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren.
Rn 4
Im Bereich hoheitlicher Tätigkeit (acta iure imperii) genießen souveräne Staaten vorbehaltlich ausdrücklicher einschr zwischenstaatlicher Vereinbarungen (dazu Rn 7) nach dem Völkergewohnheitsrecht, das gem Art 25 GG auch für deutsche Gerichte verbindlich ist, grds vollständige Immunität (vgl § 18 Rn 4 allg zur sog Staatenimmunität). Sie umfasst auch die notwendig für sie handelnden Organe des Staates (BVerwG NJW 89, 679 [BVerwG 29.04.1988 - BVerwG 9 C 54.87], zur Unzulässigkeit der Ladung des indischen Verteidigungsministers im Asylverfahren, BGH NJW 79, 1101 [BGH 26.09.1978 - VI ZR 267/76]), nicht aber selbstständige juristische Personen des Öffentlichen Rechts (aA MüKoZPO/Zimmermann § 20 Rz 10). Immunität begründet wie in den anderen Fällen der §§ 18–20 GVG ggf ein Verfahrenshindernis, dessen Nichtvorliegen in jeder Phase des Verfahrens vAw zu prüfen ist (§ 18 Rn 1). Eine beschränkte sachbezogene Staatsimmunität auf allg völkerrechtlicher Grundlage ist auch iRd Zwangsvollstreckung gegen einen fremden Staat zu beachten. Diese gilt allerdings auch hier nicht absolut, sondern beschränkt auf den hoheitlichen Bereich. Ebenso wenig wie es ein generelles völkergewohnheitsrechtliches Verbot der klageweisen Inanspruchnahme eines fremden Staates in Bezug auf seine nicht hoheitlichen Betätigungen gibt (BVerfG DÖV 63, 692 [BVerfG 30.04.1963 - 2 BvM 1/62]; NJW 63, 435 [BVerfG 30.10.1962 - 2 BvM 1/60]), ist danach allg die Zwangsvollstreckung in das Vermögen fremder Staaten schon per se völkerrechtswidrig (BVerfG NJW 78, 485 [BVerfG 13.12.1977 - 2 BvM 1/76]). Unzulässig ist ein Zugriff auf solche Vermögensgegenstände auch im Inland, die hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dienen (BGH NJW-RR 14, 1088 [BGH 25.06.2014 - VII ZB 23/13], Betrieb einer privaten Schule; BGH NJW-RR 03, 1218 [BGH 28.05.2003 - IXa ZB 19/03], dazu § 18 Rn 4; LAG Berlin AE 10, 104, Überwachung exterritorialer Einrich...