Rn 6
Die unterschiedliche Belastung mit Justizgewährungspflichten und der dadurch bedingte richterliche Personalbedarf der Gerichte – vom kleinsten AG bis zu LGen mit über 300 Richtern – fordert eine Repräsentanz der Richterschaft durch unterschiedlich große Präsidien, deren Größe jedoch im Interesse der Überschaubarkeit und Effizienz der Entscheidungsfindung in der Höchstzahl – nach der Regelung des § 21a II Nr 1 auf 11 Mitglieder (10 gewählte Richter neben dem gesetzlich vorsitzenden Präsidenten oder Aufsicht führenden Richter) – begrenzt ist (MüKoZPO/Pabst § 21a GVG Rz 8).
I. Differenzierungskriterium.
Rn 7
Als Differenzierungskriterium für die Größe der 5 von Abs 2 vorgesehenen Arten von Präsidien dient die Anzahl der zugelegten Planstellen des gesamten Gerichts. Die Zulegung der Planstellen ist Aufgabe der Exekutive und kann von dieser nur nach Maßgabe der im Haushaltsgesetz für das Gericht ausgewiesenen Planstellen vollzogen werden. Entscheidend für die Größe des Präsidiums ist die abstrakte Zahl der Planstellen, die zum Stichtag des § 21d I dem Gericht zugelegt waren. Alle zugelegten Planstellen zählen, auch die des Präsidenten, des Vizepräsidenten oder der Vorsitzenden Richter, unabhängig davon, ob sie personell besetzt oder unbesetzt sind oder ob ihre Inhaber tatsächlich Aufgaben der Rspr des Gerichts wahrnehmen. Zugelegte Teilzeitstellen zählen dabei wie Vollzeitstellen (Kissel/Mayer § 21a Rz 13). Nicht entscheidend ist also die Anzahl der im Gericht vorhandenen Richter, wenn sie – als Proberichter oder als abgeordnete Richter – bei dem Gericht keine Planstelle besetzen. Hinzuzurechnen sind aber diejenigen Planstellen, die zwar im Haushaltsplan als wegfallend bezeichnet sind, deren Inhaber aber auch noch am Stichtag planmäßige Richter des Gerichts sind und die nicht auf einer der dem Gericht zugewiesenen Stellen geführt werden, da bis zum Stichtag keine dieser Stellen frei geworden ist (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl v 14.4.16 – OVG 4 A 1.16 – Rz 16).
II. Gesamtpräsidium.
Rn 8
Abs 2 Nr 5 regelt das Gesamtpräsidium oder Plenarpräsidium, das aus allen dem Gericht zugewiesenen und nach § 21b I wählbaren Richtern besteht, wenn dem Gericht weniger als 8 Richterplanstellen zugelegt sind. Sind alle 7 Planstellen besetzt und diese Richter wählbar, so besteht das Präsidium aus 7 Richtern einschließlich des Vorsitzenden, sodass es größer als das kleine Präsidium des Abs 2 Nr 4 und ebenso groß wie das mittlere Präsidium des Abs 2 Nr 3 sein kann; gem § 22a besteht es beim AG sogar aus 8 Richtern, weil der gerichtsfremde Aufsicht führende Präsident hinzutritt und diesem Präsidium vorsitzt (vgl dazu Rn 10).
III. Gewählte Präsidien.
Rn 9
Ab 8 Richterplanstellen besteht das Präsidium aus dem Präsidenten oder Aufsicht führenden Richter des Gerichts als Vorsitzenden und 4 gewählten Richtern (Abs 2 Nr 4), ab 20 Richterplanstellen aus dem Vorsitzenden und 6 gewählten Richtern (II Nr 3), ab 40 Richterplanstellen aus dem Vorsitzenden und 8 gewählten Richtern (Abs 2 Nr 2) und ab 80 Richterplanstellen aus dem Vorsitzenden und 10 gewählten Richtern (Abs 2 Nr 1).
IV. Vorsitz.
Rn 10
Den Vorsitz führt kraft Gesetzes (als ›geborenes Mitglied‹ des Präsidiums) der Präsident oder der Aufsicht führende Richter (Direktor) des Gerichts. Das gilt in der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht für das Amtsgericht mit einem Gesamtpräsidium nach Abs 2 Nr 5. Dieses Amtsgericht verfügt zwar über einen die allgemeine Dienstaufsicht führenden Direktor; gem § 22a als lex specialis ist ihm jedoch abw von Abs 2 nicht der Vorsitz über das Gesamtpräsidium zugewiesen, sondern dem Präsidenten des übergeordneten Landgerichts oder dem Aufsicht führenden Präsidenten eines anderen Amtsgerichts. Da diese Vorsitzenden des Präsidiums bei dem Amtsgericht, dessen Gesamtpräsidium sie gem § 22a vorsitzen, kein Richteramt haben, werden gegen 22a beachtliche verfassungsrechtliche Bedenken erhoben, die auf der Tatsache beruhen, dass diese Vorsitzenden dem Gesamtpräsidium aufgrund ihrer Dienstaufsicht angehören. Das sei mit dem durch Art 101 I 2 GG gewährleisteten Prinzip der Bestimmung des gesetzlichen Richters unter Ausschließung exekutivischer Mitwirkung bei der Bestimmung des gesetzlichen Richters unvereinbar (Remus S 319 ff, 322 f). Dem ist nur im Ausgangspunkt, nämlich insoweit zuzustimmen, als § 22a ohne Not an die Ausübung der Dienstaufsicht anknüpft. Gleichwohl bleibt der nach § 22a Präsidiumsmitglied gewordene Präsident zugleich Richter. Kraft Gesetzes gehört er dem Gesamtpräsidium des Amtsgerichts ebenso nur in seiner Eigenschaft als unabhängiger Richter an (Kissel/Mayer § 22a Rz 1), nicht als Organ der Justizverwaltung (BGH Beschl v 15.11.21 – ARNot 1/21 Rz 13), wie auch dem Präsidium seines Gerichts (so auch Remus S 150), über dessen Richter er gleichfalls die Dienstaufsicht ausübt und nur deshalb Präsidiumsmitglied ist (Abs 2). Dass Richter an der Geschäftsverteilung mitwirken, die iÜ beim Amtsgericht kein Richteramt inne haben, trifft auch auf den amtsgerichtlichen Bereitschaftsdienst zu (§ 22c I 4) und stellt per se keinen Akt exekutivischer Mitw...