1. Pflicht.
Rn 9
§ 21e I 1 verpflichtet zur Besetzung der – von der Justizverwaltung der Anzahl nach vorgegebenen und eingerichteten – Spruchkörper mit den Richtern, die dem Gericht insgesamt zugewiesen sind, soweit sie nicht hinsichtlich ihrer richterlichen Tätigkeit freigestellt oder gesetzlich in der Verwendungsdisposition eingeschränkt sind, etwa als Proberichter, Richter kraft Auftrags oder abgeordneter Richter (§ 29 S 1 DRiG). Das gilt insb für unterjährige Richter auf Probe als originäre Einzelrichter nach § 348 I 2 Nr 1 ZPO, nach § 22 V 2 iVm VI in Insolvenzsachen, iVm § 23b III 2–5 in Familiensachen, iVm § 29 I 2 als Vorsitzender des Schöffengerichts sowie iVm § 23c II 2 in Betreuungssachen, was vom Präsidium bedacht und spruchkörperintern vom Spruchkörperplenum gem § 21g berücksichtigt werden muss (vgl auch § 21g Rn 24). Stehen Richter nur mit einem Teil ihrer Arbeitskraft einem Spruchkörper zur Verfügung, muss der Geschäftsverteilungsplan erkennen lassen, mit welchem Bruchteil seiner Arbeitskraft der Richter dem jeweiligen Spruchköper zugewiesen ist. Dies gilt auch für Richter, denen ein Richteramt an einem anderen Gericht auf der Grundlage von § 27 II DRiG übertragen ist. Es ist dann der Tätigkeitsumfang für die richterlichen Aufgaben unter Bestimmung des Anteils der Arbeitskraft im Geschäftsverteilungsplan kenntlich zu machen (BFH NJW 19, 1326 [BFH 14.03.2019 - V B 34/17] Rz 14 mwN; Kissel/Mayer § 21e Rz 138; Zö/Lückemann § 21e GVG Rz 8).
Rn 10
Von der Richterverteilung ausgenommen ist der Präsident gem § 21e I 3, nicht aber der Vizepräsident oder ein Aufsicht führender Richter als Vorsitzender des Präsidiums (MüKoZPO/Pabst § 21e GVG Rz 5). Das Anschlussrecht des Präsidenten aus Abs 1 S 3 bezieht sich auf den Spruchkörper und sachlich auf die diesem zugewiesenen Rechtssachen, nicht aber auf die Auswahl der Beisitzer dieses Spruchkörpers (Pabst aaO).
2. Mehrere Spruchkörper; Ermessensgrenzen.
Rn 11
Gemäß Abs 1 S 4 kann jeder zu verteilende Richter mehreren Spruchkörpern angehören. Diese Auswahl und Zuweisungsentscheidung steht im Ermessen der Präsidiumsmitglieder, und zwar im pflichtgemäßen Ermessen im Hinblick auf die Aufgabe des Präsidiums, den Richtern und Spruchkörpern im Wege der Sach- und Richterverteilung eine optimale Erfüllung der Justizgewährungspflicht zu ermöglichen. Deshalb gilt für die Präsidiumsmitglieder zur Meidung eines pflichtwidrigen Ermessensfehlgebrauchs ein Verbot der Selbstbedienung. Die sein Ermessen bindende Funktion des Präsidiums, die Richterverteilung und die Spruchkörperbesetzung so vorzunehmen, dass eine optimale Justizgewährung durch das Gericht iRd sachlichen Zuständigkeit des Richters bzw Spruchkörpers gewährleistet wird, schließt es ferner aus, diese Richterverteilung nach den Grundsätzen der Bestenauslese iSd Art 33 II GG vorzunehmen (BVerfG Beschl v 28.11.07 – 2 BvR 1431/07, Rz 10) oder bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplanes solche Entscheidungen zu treffen, die sich als eine dem Disziplinarrecht vorbehaltene Reaktion auf ein dienstliches Fehlverhalten (sog ›verdeckte Disziplinarmaßnahme‹) darstellen (BVerfG, Beschl v 25.8.16 – 2 BvR 877/16, Rz 24; OVG Hamburg, Beschl v 25.6.18 – 3 Bs 73/18).
Rn 12
Die von Abs 1 S 4 zugelassene Zuweisung eines Richters zu mehreren Spruchkörpern findet eine Ermessensgrenze auch in dem Anspruch des Richters auf eine effiziente Ausübung des ihm anvertrauten Rechtsprechungsamtes. Damit ist die Anzahl der Spruchkörper beschränkt, denn die Mitwirkung in einer Vielzahl von Spruchkörpern darf den Richter nicht zum reinen Sitzungsvertreter machen, der durch einen erdrosselnden Sitzungsdienst an einer eigenständigen Wahrnehmung seiner Rspr als Einzelrichter oder Berichterstatter gehindert ist. Das wäre Ermessensmissbrauch.
Rn 13
Abs 1 S 4 gilt auch für Vorsitzende Richter (BGHZ 28, 290, 292; Werner NJW 07, 2671, 2672 f). Mit Blick auf die Richtung weisende Funktion des Spruchkörpervorsitzenden, insb des Vorsitzenden im überbesetzten Spruchkörper besteht aber eine Ermessensgrenze für den Umfang dieser Mehrfachzuweisung. Sie ist nur zulässig, wenn er in jedem Spruchkörper die Tätigkeit des Vorsitzenden überwiegend (regelmäßig mind 75 %) wahrnehmen kann (BGH NJW-RR 17, 635, 637 [BGH 05.10.2016 - XII ZR 50/14] Rz 27; MüKoZPO/Pabst § 21e GVG Rz 33).
3. Überbesetzung.
Rn 14
Die Gesetzesbindung des Präsidiums verpflichtet dazu, die Spruchkörper gem § 21 f I mit Vorsitzenden und mit der nach den jeweiligen Verfahrensordnungen vorgesehenen Anzahl von Richtern (etwa § 29 II einschließlich der Reihenfolge, § 75 oder § 76, §§ 115, 122 bzw §§ 124, 139) zu besetzen. Darüber hinausgehend ist das Präsidium zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege durch die Anzahl der Spruchkörper, die ihm durch die Entscheidung der Gerichts- oder Justizverwaltung vorgegeben ist, berechtigt, diesen Spruchkörpern auch mehr als die zur Entscheidung vorgeschriebene Anzahl von Richtern zuzuweisen. Dem aus Art 101 I 2 GG entnommenen Bestimmtheitsgebot und dem darin enthaltenen Verbot der Manipulationsmöglichkeit (BVerfGE 17, 2...