1. Begriffliches.
Rn 23
Unter dem Betriff Geschäftsverteilung im Sinne Abs 1 S 1 aE wird im Unterschied zur Richterverteilung auf die Spruchkörper die Sachverteilung auf die Spruchkörper verstanden, die alle Rechtsprechungsaufgaben der Richter des Gerichts vollständig erfassen muss (Saenger/Rathmann § 21e GVG Rz 7). Dazu wird auch der Vorsitz im Schöffenwahlausschuss gerechnet (BGHSt 29, 284, 287; Saenger/Rathmann § 21e GVG Rz 7; Kissel/Mayer § 40 Rz 3); richtigerweise handelt es sich bei der Tätigkeit des Schöffenwahlausschusses zwar nicht um ›reine Verwaltungstätigkeiten‹, sondern um Geschäfte der ›gerichtlichen Selbstverwaltung‹, die in richterlicher Eigenschaft wahrzunehmen sind (BGHSt 29, 284, 287). Die Schlussfolgerung, die Tätigkeit sei deshalb der Rechtssprechung zuzurechnen (Kissel/Mayer § 40 Rz 3), leidet an dem gleichen Deduktionsmangel wie die Ableitung der richterlichen Unabhängigkeit für die Tätigkeit der Präsidiumsmitglieder (BGHZ 46, 147, 149; Z 112, 197, 201; krit Remus S 311 ff). Vielmehr sind die Geschäfte nach § 40 II Geschäfte der richterlichen Selbstverwaltung, für die aus Gründen der Gewaltenteilung die richterliche Unabhängigkeit im GVG konkludent seit jeher garantiert ist. Das macht sie aber nicht zu einer Aufgabe der Rspr. Vielmehr gehört sie als eine mit Gesetzesvorrang durch § 40 II einem Richter des Gerichts zugewiesene, in Unabhängigkeit wahrzunehmende Selbstverwaltungsaufgabe zur Richterverteilung iSd Abs 1 S 1. Insoweit obliegt sie als Richterverteilungsaufgabe dem in Unabhängigkeit handelnden Präsidium, weil eine gesetzlich anderweitige und vorrangige Regelung über die Bestimmung des Ausschussvorsitzenden im Gesetz nicht besteht und die Bestimmung des insoweit zuständigen Richters als Richterverteilung dem unabhängigen Präsidium zufällt. Freilich ist auch dieses eine Lückenschließung iRd unvollständigen Abs 1, die sich aber als teleologisch systematische Auslegung vertreten und nicht als Beleg für die These der Allzuständigkeit des Präsidiums heranziehen lässt. Dafür spricht nämlich, dass die Tätigkeit des Wahlausschusses vorbereitender Bestandteil der Verteilung der ehrenamtlichen Richter – Schöffen – durch den Richter beim Amtsgericht gem §§ 44 ff ist und insoweit eine Spezialregelung für die von § 21e wegen des Vorrangs des Gesetzes nicht erfasste Schöffenverteilung darstellt, die aber nicht anders als die Richterverteilung durch das Präsidium gem Abs 1 S 1 zu qualifizieren sein dürfte.
Rn 24
Alle Aufgaben der Rspr, die dem konkreten Gericht örtlich, sachlich und instanziell gesetzlich zugewiesen sind, unterliegen der Sachverteilung durch das Präsidium, die also vollständig bzw erschöpfend sein muss. Dieses Vollständigkeitsprinzip erfordert, dass das Präsidium seine Zuständigkeiten in rechtlicher Hinsicht lückenlos kennt und auch aktuelle Zuständigkeitsänderungen generell sowie zeitgerecht erfasst. Im Zweifel empfiehlt es sich, dass das Präsidium einem Spruchkörper die Auffangzuständigkeit für ›nicht ausdrücklich verteilte Sachen‹ zuweist. Zur gerichtlichen Mediation vgl vor §§ 21a ff Rn 18, 19.
Rn 25
Aus dem Vorrang des Gesetzes folgt, dass die gesetzlich vorzuhaltenden Spezialspruchkörper, deren Einrichtung die an sich nach zweifelhafter, aber allgemeiner Ansicht zuständige Justiz- oder Gerichtsverwaltung wegen ihrer eigenen Bindung an Gesetz und Recht als solche nicht untersagen darf (ausgenommen aufgrund einer Rechtsverordnung zur Konzentration bestimmter Spezialmaterien auf der Grundlage eines formellen Ermächtigungsgesetzes), für diese speziellen Rechtsmaterien geschäftsverteilungsmäßig auch zuständig sein müssen. Das Präsidium hat also den gesetzlich vorzuhaltenden Spezialspruchkörpern, von denen es mindestens einen geben muss, die diesen wiederum kraft Gesetzes zugewiesenen Spezialmaterien tatsächlich zuzuweisen. Das gilt für die Familiensachen nach §§ 23b, 119 II, für die Handelssachen nach § 95, für die Baulandsachen nach §§ 220, 229 BauGB, für Entschädigungssachen nach § 208 BEG sowie für Wettbewerbssachen nach §§ 91, 94 GWB, ebenso für Strafsachen (Meyer-Goßner § 21e GVG Rz 3, 4). Hat die insoweit zuständige Justizverwaltung allerdings in Betracht des einschlägigen Geschäftsanfalls an einem Gericht mehrere Spruchkörper derselben Art errichtet, so besteht das Ermessen des Präsidiums darin, die Summe dieser Spezialmaterien auf die Anzahl dieser Spezialspruchkörper zu verteilen.
2. Methoden.
Rn 26
Soweit das Präsidium nicht durch den Vorrang des Gesetzes an eine bestimmte Geschäftsverteilung gebunden ist, steht die Methode der Verteilung der Geschäfte in seinem Ermessen. Denkbar ist die Verteilung nach Anfangsbuchstaben des Namens (idR des Beklagten), durch örtliche Bestimmungen nach dem Wohnsitz oder Unterbringungssitz, durch Zuweisung von Sachgebieten oder nach dem Rotationsprinzip (i.e. Reihenfolge des Eingangs, auch Turnusprinzip genannt; Saenger/Rathmann § 21e GVG Rz 7; zu den besonderen Anforderungen vgl BayVGH NVwZ-RR 21, 963 ff [VGH Bayern 16.09.2021 - 13a ZB 21.30046] mwN). Das Ermessen mu...