Rn 93

Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit kann durch eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung des Präsidiums – der Mehrheit der Präsidiumsmitglieder – auf Vorschlag aus der Mitte des Präsidiums oder auch auf Antrag eines dem Gericht, nicht aber dem Präsidium angehörenden Richters durch Zulassung der Richteröffentlichkeit – aber nur der Richter des Gerichts, ungeachtet ihrer aktiven und passiven Wählbarkeit – aufgehoben werden (Kissel/Mayer § 21e Rz 62). Maßgeblich für diese Ermessensentscheidung sind die sachgerechten Erwägungen zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Richter, auf die sich die Richterverteilungspflicht des Präsidiums bezieht, über die sich also jedes Mitglied des Präsidiums hinsichtlich der Leistungsfähigkeit und der kollegialen Verträglichkeit zur Gewährleistung des Zwecks der richterlichen Geschäftsverteilung Gedanken machen muss (Kissel/Mayer § 21e Rz 63), die folglich auch mündlich erörtert werden müssen. Der Ermessensspielraum der Mitglieder des Präsidiums betrifft auch die Dauer der zugelassenen Richteröffentlichkeit (ganz oder zeitweise).

 

Rn 94

Die Kompetenz, die einmal zugelassene Richteröffentlichkeit gem Abs 8 S 2 iVm § 171b zum Schutz der Persönlichkeitsrechte eines Richters ganz oder tw wieder aufzuheben, ist konsequent, macht das Procedere aber verdächtig, weil es als Verdeckung diskreditiert werden kann. Eine Zulassung der Richteröffentlichkeit birgt die Gefahr, dass sich Präsidiumsmitglieder oder Interessenfraktionen vor und außerhalb der eigentlichen Präsidiumssitzung abstimmen, sodass es zu einer richteröffentlichen Abstimmung des Präsidiums kommt, ohne Aussprache und ohne Verschwiegenheitspflicht, aber eben keineswegs ohne vorherige geheime Absprache. Das Streben, den Präsidiumsentscheidungen eine bessere Transparenz zu verschaffen (Schorn/Stanicki S 172; Kissel NJW 00, 460, 462 [BFH 11.08.1999 - XI R 77/97]), würde verfehlt, erst recht dann, wenn an den vorhergehenden Absprachen nur einzelne, nicht aber alle Präsidiumsmitglieder beteiligt würden, um Mehrheiten zu organisieren. Der Grundsatz der Nichtöffentlichkeit der Präsidiumssitzung schließt ein solches Procedere nicht sicher aus; er ist aber eine wesentliche Rahmenbedingung dafür, dass alle Präsidiumsmitglieder die Präsidiumssitzung als den maßgeblichen Ort der Beratung und Beschlussfassung in pflichtgemäßer Verantwortung für die Rspr ihres Gerichts anerkennen und wahrnehmen (Remus S 165f).

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