1. Bestimmtheitsgebot.
Rn 31
Die Geschäftsverteilung dient der Bestimmung des gesetzlichen Richters bis auf die letzte Stufe des konkret zuständigen Richters oder Spruchkörpers. Insoweit folgt aus Art 101 I 2 GG das Erfordernis der Bestimmtheit der Regelung, die so weit reichen muss, dass eine Manipulation der Richterbestimmung ausgeschlossen ist (BFH Beschl v 3.6.20 – II B 54/19, Rz 25). Selbst der Verdacht schadet (BGH Beschl v 4.5.16 – 3 StR 358/15 – Rz 13 und 15 aE), so dass mit investigativem Spürsinn nach Möglichkeiten der Manipulation gesucht werden muss, wenn über die Formulierung der Bestimmungen des Geschäftsverteilungsplans abgestimmt wird.
2. Unbestimmte Rechtsbegriffe.
Rn 32
Sie sind im Geschäftsverteilungsplan durch Art 101 I 2 GG nicht ausgeschlossen, wenn sie für das Regelungskonzept der Geschäftsverteilung notwendig sind (BVerfGE 95, 322, 331). Begriffe wie Überlastung, ungenügende Auslastung, Verhinderung oder Wechsel von Richtern, die für nicht immer gleichförmige Phänomene in Abs 3 S 1 bzw § 21g II 2 Verwendung gefunden haben, sind nicht vermeidbar. Mit Begriffen dieser Art ist iRe kollegialen Beschlussfassung sachfremden Erwägungen genügend vorgebeugt und vermieden, dass im Einzelfall durch eine gezielte Auswahl von Richtern das Ergebnis der Entscheidung beeinflusst wird (BVerfGE 95, 322, 332 [BVerfG 08.04.1997 - 1 PBvU 1/95]). Die Auslegung und Konkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe wie ›Verhinderung‹, ›Schwerpunkt‹ oder ›Sachzusammenhang‹ ist eine originäre richterliche Tätigkeit, die jeder Richter unter Beachtung der ihm geläufigen juristischen Methoden nachvollziehbar lösen kann. Zu unbestimmt soll dagegen das Kriterium ›sachliche Befassung‹ für die Fortdauer der Zuständigkeit nach Abs 4 sein (BGH ZIP 09, 91 Rz 11).
3. Gestaltungsspielraum.
Rn 33
Zum Gestaltungsspielraum des Präsidiums gehört iRd Richterverteilung und der Sachverteilung die Pflicht zur Fürsorge und zur Gleichbehandlung, die in einem wechselbezüglichen Verhältnis stehen können. Aus Gründen der Fürsorge kann die Gleichbehandlung zurücktreten müssen, denn dem Präsidium obliegt die ermessensbindende Pflicht, mit seinem Präsidiumsbeschluss zur Gewährleistung einer effektiven Rechtspflege durch das Gericht und den konkreten Spruchkörper eine Verbindung von subjektiver Kompetenz und Effizienz mit den qualitativen und quantitativen Anforderungen der zugewiesenen Sachmaterie herzustellen (Remus S 225 f).
4. Stetigheit.
Rn 34
Der Grundsatz der Stetigkeit der Geschäftsverteilung ergibt sich aus Abs 1 S 2, in dem das Präsidium zur Regelung für die Dauer des Geschäftsjahres verpflichtet wird. Diese Stetigkeit wird durchbrochen durch Abs 3 S 1, der eine Änderung des Geschäftsverteilungsplans im Laufe des Geschäftsjahres nur wegen Überlastung oder ungenügender Auslastung des Richters oder Spruchkörpers oder infolge Wechsels oder dauerhafter Verhinderung einzelner Richter zulässt, wenn diese nötig sind. Abs 3 S 1 lässt die Änderung zudem nur zu, wenn vorher dem Vorsitzenden, dessen Spruchkörper von der Änderung der Geschäftsverteilung berührt wird, Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde, schließt also heimliche Änderungen und damit sachfremde Erwägungen des Präsidiums aus.
5. Jährlichkeit.
Rn 35
Der Grundsatz der Vorherigkeit ergibt sich aus Abs 1 S 2, der das Präsidium verpflichtet, die Anordnungen vor dem Beginn des Geschäftsjahres zu treffen. Beim Wechsel der Präsidiumsmitglieder nach § 21b IV 2 entscheidet also für das Folgejahr noch das Präsidium mit den Ausscheidenden, nicht mit den designierten neuen Mitgliedern, die aber nach Abs 2 Gelegenheit zur Äußerung als Richter haben. Der Grundsatz der Stetigkeit erstreckt sich zeitlich auf das volle Geschäftsjahr (MüKoZPO/Pabst § 21e GVG Rz 41; Schorn/Stanicki S 80 f), aber nicht darüber hinaus. Denn der Geschäftsverteilungsplan einschließlich etwaiger Änderungen wirkt nur für die Dauer eines Geschäftsjahres und tritt an dessen Ende ohne Weiteres außer Kraft (BFH Beschl v 21.10.15 – VB 36/15 – Rz 17). Die Vielzahl der Begriffe für sich überschneidende Phänomene – Gestaltungsfreiheit und Gesetzlichkeit, Vollständigkeitsprinzip und Abstraktion, Bestimmtheitsgrundsatz und Stetigkeit, Jährlichkeit und Vorauswirkung – dienen dem Zweck, die richterliche Geschäftsverteilung als Richterverteilung und Sachverteilung für die Dauer des Geschäftsjahres möglichst stabil und so bestimmt zu formulieren, dass die Bestimmung des Richters bis auf die letzte Stufe ›blindlings‹ (s Rn 15; BGH Beschl v 4.5.16 – 3 StR 358/15 – Rz 13) erfolgen kann.