I. Vorsitz.
Rn 3
Abs 1 betrifft den Vorsitz im Spruchkörper, im überbesetzten Spruchkörper jeder Sitzgruppe, sodass eine Sitzgruppe ohne den Vorsitzenden nicht zulässig ist.
Rn 4
Den Spruchkörpern, denen sich der Präsident nicht nach § 21e I 3 angeschlossen hat, muss das Präsidium (BGH NJW 09, 931 [BGH 08.01.2009 - 5 StR 537/08] Rz 9) Vorsitzende Richter als Vorsitzende zuweisen. Der Vorsitzende Richter muss grds ein entsprechendes Richteramt bei diesem Gericht innehaben. Abs 1 schließt aber nicht aus, dass der Vorsitz in einem Spruchkörper durch einen Vorsitzenden Richter eines anderen Gerichts geführt wird, der gem § 37 DRiG abgeordnet ist. Erforderlich ist nur, dass der Richter im Zuweisungs- und Abordnungszeitpunkt bereits Vorsitzender Richter eines instanzgleichen oder höheren Gerichts ist (BGH NJW 09, 381 [BGH 10.12.2008 - 1 StR 322/08] Rz 10, 13); Ausnahmen werden von der Rspr zugelassen zB zur Eignungserprobung abgeordneter Richter, vgl KG NJ 23, 405 [KG Berlin 30.06.2023 - 3 ORs 37/23 - 161 Ss 76/23]). Die Justizverwaltung muss mindestens so viele Spruchkörper einrichten, wie das Gericht einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten Vorsitzende Richter hat. Jeder dieser Vorsitzenden Richter hat Anspruch auf mindestens einen Spruchkörpervorsitz (ThoPu/Hüßtege § 21 f GVG Rz 3). Eine Besetzung mit mehreren Vorsitzenden im selben Spruchkörper ist mit Abs 1 unvereinbar und verletzt Art 101 I 2 GG (BGH NJW 55, 103), wenn der Spruchkörper nicht überbesetzt ist; anderenfalls ist Abs 1 gem § 21g bei der Bestimmung der Vorsitzenden der Sitzgruppen des überbesetzten Spruchkörpers zu beachten. Gemäß § 21e I 4 kann der Vorsitzende Richter eines Spruchkörpers daneben aber einem anderen Spruchkörper als Vertreter oder weiteres Mitglied zugewiesen werden (BGH NJW 84, 129 [BGH 22.04.1983 - RiZ (R) 4/82]; Zö/Lückemann § 21 f GVG Rz 10).
Rn 5
Da die Anzahl der Spruchkörper nach dem Umfang der Belastung des Gerichts ermittelt wird, bestehen oft mehr Spruchkörper als Vorsitzende Richter vorhanden sind. Deshalb kann jeder Vorsitzende Richter gem § 21e I 4 mehreren Spruchkörpern als Vorsitzender zugewiesen werden (BGH NJW 67, 1566). Zur Besetzung des Vorsitzes mit ›NN‹ s § 21e Rn 17, 18.
II. Verteilungsermessen.
Rn 6
Werden einem Vorsitzenden Richter gem § 21e I 4 mehrere Spruchkörper zugewiesen, so muss das Präsidium im Rahmen dieser Ermessensentscheidung mit Blick auf die Leistungs- und Belastungsfähigkeit dieses Vorsitzenden gewährleisten, dass er in allen Spruchkörpern seinen richtungsweisenden Einfluss auf die Güte und Stetigkeit der Rspr ausüben kann (BGHZ 37, 210, 213; BSG NJW 07, 2717, 2718; BGH NJW 09, 931 Rz 7, 8, 9). Dazu gehört für den Vorsitzenden, die Rspr seiner Spruchkörper und Sitzgruppen im Hinblick auf die Rspr anderer Spruchkörper desselben Gerichts in der gleichen Rechtsmaterie zu beobachten und gerichtsinterne Widersprüche der Rspr aufzudecken und zu vermeiden. Denn zur Effizienz der Rspr gehört es auch, dass zumindest dasselbe Gericht dieselbe Rechtsfrage in unterschiedlichen Spruchkörpern nicht dauerhaft unterschiedlich beantwortet. Der richtungsweisende Einfluss des Vorsitzenden ist also nach der insgesamt durch die Geschäftsverteilung bewirkten dienstlichen Belastung sowie unter Berücksichtigung seiner individuellen, durch Sachkunde, Erfahrung und Menschenkenntnis geprägten Überzeugungskraft (BVerfGK NJW 12, 2334 Rz 24) und Leistungsfähigkeit zu ermessen. Feste Quoten der Eigenleistung als Vorsitzender – nach BGHZ 37, 210, 217 zB 75 % – scheinen zweifelhaft; die Quote betrifft jedenfalls nicht die qualitative, sondern allenfalls die quantitative Mitwirkungslast des Vorsitzenden im Verhältnis zum Vertreter (BVerfG K NJW 12, 2334 [BVerfG 23.05.2012 - 2 BvR 610/12; 2 BvR 625/12] Rz 27 f).
Rn 7
Die Aufgabe, den richtungsweisenden Einfluss zu wahren, ist durch den Vorsitzenden des Spruchkörpers im Hinblick auf den originären Einzelrichter des § 348 ZPO kaum noch zu gewährleisten; Abhilfe kann hier nur im Wege eines gerichtsinternen oder eines spruchkörperinternen Richterspruchumlaufs oder eines Kolloquiums der Spruchkörpermitglieder erfolgen.
III. Verhinderung.
Rn 8
Die Vertretung im Vorsitz ist nur zulässig, wenn der Vorsitzende Richter an der Führung des Vorsitzes verhindert ist. Im Hinblick auf das Ziel, den Vorsitz in einem Spruchkörper einem besonders qualifizierten Richter vorzubehalten, ist Abs 2 Satz 1 eng auszulegen. Eine Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden ist daher nur in Fällen einer vorübergehenden Verhinderung des Vorsitzenden zuzulassen, nicht bei dessen dauernder Verhinderung (BGH Beschl v 5.10.16 – XII ZR 50/14 – Rz 13 mwN; dazu § 21e Rn 50–53), für die Handlungsbedarf nach § 21e III 1 bestünde (s § 21e Rn 16 und 47 ff). Diese Änderungsentscheidung des Präsidiums gem § 21e III 1 geht der Regelung nach Abs 2 S 1 vor (BGH NJW 09, 931 Rz 14). Ob jede vorübergehende mit Beginn des folgenden Geschäftsjahres in eine dauerhafte Verhinderung umschlägt, wenn das Ende der Verhinderung nicht absehbar ist (BGH StV 12, 204 Rz 6, 12; StV 12, 272 ...