Rn 2

Die Spezialkammern sind Zivilkammern iSd § 60, wie § 72 I 1 ausdrücklich hervorhebt. § 72a I umreißt die Sachgebiete der Nr 1–5 mit exakt den gleichen Formulierungen, mit denen § 348 I 2 Nr 2 lit b, c, e, h und a ZPO es bereits ermöglichten, einzelne Kammern zu Spezialkammern zu formen. Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass § 348 ZPO den Präsidien der Landgerichte erlaubt, nach freiem Ermessen zu bestimmen, ob und wie umfassend eine Spezialzuständigkeit eingerichtet wird. § 72a hingegen regelt eine gesetzliche Zuständigkeit, die als striktes Recht keinen Raum lässt für eine weitere Ausformung durch die Präsidien, und zwar weder im Hinblick auf die Einrichtung als solche noch im Hinblick auf die Inhalte der Zuständigkeit (Bericht BTDrs 18/11437, 45; BayObLG NZBau 21, 254; vgl auch Rn 2g, 2h).

 

Rn 2a

Der Gesetzgeber ist überzeugt, dass in den von ihm geschaffenen Zuständigkeiten ein hinreichendes Fallvorkommen besteht (vgl BTDrs 18/11437, 46). Abs 3 stellt klar, dass die Spezialkammern darüber hinaus auch für allgemeine Rechtstreitigkeiten zuständig sein können, die nicht in ihren gesetzlich bestimmten Aufgabenbereich fallen. In kleineren LG-Bezirken können – oder müssen – einer Kammer mehrere Spezialzuständigkeiten zugewiesen werden. In größeren Bezirken hingegen darf auch mehr als eine Kammer mit derselben Spezialmaterie befasst sein. Dabei sind aber Sinn und Zweck der Norm im Auge zu behalten: Eine Schwerpunktbildung, die eine Herausbildung von Erfahrung und Routine ermöglicht (vgl Rn 2c), muss gewährleistet sein. Es ist ausgeschlossen, alle Kammern gleichzeitig mit derselben Materie zu befassen.

 

Rn 2b

Die Verordnungsermächtigung in Abs 2 soll es den Ländern ermöglichen, mit Rücksicht auf landesspezifische Besonderheiten und das jeweilige regionale Fallaufkommen die Einrichtung von Zivilkammern in weiteren Sachgebieten bei den Landgerichten vorzusehen (RegE BTDrs 19/13828, 23). Unbenommen ist es den Präsidien, von den weiteren Zuweisungen iRd § 348 I 2 Nr 2 ZPO Gebrauch zu machen. Weiter haben die Länder die Möglichkeit, über § 13a bezirksübergreifende Zuständigkeiten zu begründen (vgl für NRW etwa Biesenbach/Baack ZIP 22, 501); für einen (kleineren) Teil der Bausachen eröffnet § 71 IV eine weitere Konzentrationslösung.

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