Gesetzestext
Ist bei einem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so tritt für Handelssachen diese Kammer an die Stelle der Zivilkammern nach Maßgabe der folgenden Vorschriften.
A. Abgrenzung in erstinstanzlichen Zivilsachen.
Rn 1
Das Verhältnis zwischen KfH und allgemeiner Zivilkammer betrifft die funktionelle Zuständigkeit (vgl BTDrs 20/3822, 124; BGH ZIP 92, 65, 66; München NZG 14, 231; § 93 Rn 3; zum Begriff § 1 ZPO Rn 2). §§ 94 ff enthalten eine gesetzliche Regelung zur Geschäftsverteilung innerhalb der Zuständigkeit des LG (München MDR 07, 1334). Insofern hat das Präsidium keinen Spielraum. Dessen Verteilungsbefugnis setzt erst ein, wenn bei einem LG mehrere KfH eingerichtet werden (vgl § 93 Rn 5). Zweifelsfragen sind entspr § 36 I Nr 3 ZPO zu klären (Frankf ZIP 19, 292 Rz 6). § 17a VI findet keine Anwendung (LG Hannover NJW-RR 11, 834). – Die Zuständigkeit der KfH im normalen zivilprozessualen Erkenntnisverfahren ›tritt‹ aber nur nach Maßgabe der folgenden Vorschriften ein. Sieht man von Irrläufern (§ 97 I, § 102) oder Annexstreitigkeiten (§ 99 I; vgl auch § 95 Rn 3) ab, muss es sich also um eine Handelssache (§ 95) handeln (vgl Cuypers ZAP Fach 13, 1827). Zudem muss ein Antrag einer Partei (Rn 2) vorliegen (Dresd ZIP 16, 2062, 2063).
Rn 2
Dabei sind die §§ 94 ff im Zusammenhang zu sehen. Beide Parteien haben ein Wahlrecht. Die Handelssache kann auf Antrag des Klägers vor die KfH gebracht werden (§§ 95, 96). Unterbleibt dies, so hat der Beklagte die Möglichkeit, die KfH anzurufen (§§ 95, 98). §§ 97, 98 regeln das Verfahren, § 99 reagiert auf Änderungen des Streitgegenstandes. Von Amts wegen wird die KfH hingegen nicht zuständig. Die KfH kann Sachen, die nicht in ihre Zuständigkeit gehören, vAw verweisen gem § 97 II, § 99 II (KG NJW-RR 09, 469 [KG Berlin 06.11.2008 - 2 AR 50/08]). Die Zivilkammer ist hingegen immer zuständig (Ausn: Rn 3).
Rn 2a
Einer Parteivereinbarung (vgl §§ 38–40 ZPO) ist die funktionelle Zuständigkeit (Rn 1) nicht zugänglich (BayObLG NZBau 21, 254 Rz 29). Auch aus § 97 II, § 98 IV ist abzuleiten, dass die Parteien es nicht in der Hand haben, die Zuständigkeit der KfH zu vereinbaren, wenn keine Handelssache vorliegt (vgl Frankf 10.12.04 – 21 AR 138/04). Wegen § 98 III können sie aber einvernehmlich davon absehen, die KfH anzurufen (vgl § 95 Rn 1), außer diese ist ausnahmsweise ausschließlich zuständig (Rn 3).
B. Weitere Verfahren und ausschließliche Zuständigkeit.
Rn 3
Die KfH ist weiter zuständig für Berufungsverfahren (§ 100); hier gelten die eben beschriebenen Zuständigkeitsvoraussetzungen. In Beschwerdesachen gehört die Sache ausschließlich vor die KfH, ohne dass es auf einen Antrag der Parteien ankommt (vgl § 104). Eine ausschließliche Zuständigkeit der KfH kann außerdem in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestehen, jedoch nur bei spezialgesetzlicher Anordnung (str, näher § 71 Rn 5), wie sie § 335a II 4 HGB, § 246 III 2 AktG (München MDR 07, 1334; KG ZIP 23, 2198; jew zur GmbH), § 293c I 4 AktG, § 10 II 2 UmwG und § 2 III SpruchG (BTDrs 20/3822, 124; Drescher AG 23, 337 Rz 10) vorsehen.