Rn 1

Die Norm stellt im Kontext des § 94 den Katalog der Handelssachen auf, der im Wesentlichen die Rechtsstreitigkeiten enthält, die eine Anrufung der KfH durch eine der Parteien ermöglichen. Nicht möglich ist, jenseits der gesetzlichen Zuweisung die Zuständigkeit der KfH zu prorogieren (§ 94 Rn 2a); nur umgekehrt können die Parteien (wegen § 98 III) von einer gegebenen Möglichkeit, die KfH anzurufen, Abstand nehmen und ihren Streit vor der allgemeinen Zivilkammer austragen (Gaul JZ 84, 57, 58).

 

Rn 2

Ob eine Handelssache vorliegt, beurteilt sich nach den vom Kläger in der Klage oder Antragsbegründung mitgeteilten Tatsachen in Verbindung mit dem geltend gemachten Anspruch (BGHZ 16, 275; Stuttg OLGR 02, 455). Dabei ist das Rechtsschutzbegehren insgesamt zu werten; nur wenn bei der objektiven Klagehäufung alle Ansprüche als Handelssachen zu qualifizieren sind, bei einer Parteienmehrheit die Begründung für alle Beteiligten greift, kann die KfH berufen sein (Frankf NJW 92, 2900 [OLG Frankfurt am Main 06.05.1992 - 20 AR 92/92]; Köln OLGR 08, 572). Andernfalls ist – soweit möglich – eine Trennung und Teilverweisung anzustreben oder die Sache insgesamt an die Zivilkammer abzugeben. Im Grundsatz unschädlich sind Anspruchskonkurrenzen (Köln 2.1.12 – 8 AR 64/11; LG Münster 16.9.07 – 11 O 295/07; BeckOKGVG/Pernice Rz 4 mwN, § 97 Rz 4; aA MüKoZPO/Pabst § 97 GVG Rz 6). Besteht jedoch für den konkurrierenden Anspruch eine besondere Zuständigkeitskonzentration wie in § 6 II UKlaG, die durch eine Befassung der KfH unterlaufen würde, kann man am Vorliegen einer Handelssache zweifeln (vgl Hamm 26.4.19 – 32 SA 20/19; dagegen LG München I MDR 21, 1075).

 

Rn 3

Die in § 95 getroffene Regelung ist nicht abschließend. Weitere Handelssachen folgen etwa aus § 102 II EnWG oder § 66 II WpÜG. Offen ist die Frage, ob nicht Bestimmungen des Rechts der AG auf die GmbH Anwendung finden (Celle GmbHR 08, 264). Sodann gibt die Norm die Grundlage für Annexkompetenzen. Vollstreckungsabwehrklagen werden, soweit Gegenstand ein vor der KfH entstandener Titel ist, kraft Sachzusammenhangs akzeptiert (BGH NJW 75, 829 [BGH 06.02.1975 - III ZB 11/74]), ebenso der aus § 945 ZPO abgeleitete Schadensersatzanspruch (LG Oldenburg NJW-RR 02, 1724). Das gilt nicht mehr bei vollstreckbaren Urkunden (LG Bonn JurBüro 09, 499; zu weit: LG Stendal MDR 05, 1334). Die Zuständigkeit erstreckt sich auch auf zusammenhängende Arrest- und Verfügungsverfahren (LG Oldenburg NJW-RR 02, 1724; zur Problematik der Schutzschrift: Heil WRP 14, 24). Keine Folgesache sind Honorarklagen, die der Rechtsanwalt am Gerichtsstand des § 34 ZPO einklagt (BGH NJW 86, 1178 nach Familienstreitigkeit).

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