Gesetzestext
(1) 1Wird vor der Zivilkammer eine vor die Kammer für Handelssachen gehörige Klage zur Verhandlung gebracht, so ist der Rechtsstreit auf Antrag des Beklagten an die Kammer für Handelssachen zu verweisen. 2Ein Beklagter, der nicht in das Handelsregister oder Genossenschaftsregister eingetragen ist, kann den Antrag nicht darauf stützen, dass er Kaufmann ist.
(2) Der Antrag ist zurückzuweisen, wenn die im Falle des § 506 der Zivilprozessordnung erhobene Widerklage als Klage vor die Kammer für Handelssachen nicht gehören würde.
(3) Zu einer Verweisung von Amts wegen ist die Zivilkammer nicht befugt.
(4) Die Zivilkammer ist zur Verwerfung des Antrags auch dann befugt, wenn der Kläger ihm zugestimmt hat.
A. Wahlrecht des Beklagten.
Rn 1
Die KfH ist zuständig, wenn eine der Parteien einer Handelssache dies begehrt (Dresd BB 16, 2704, 2705 [OLG Dresden 25.08.2016 - 8 U 347/16]; Cuypers ZAP Fach 13, 1827; Simons NZG 12, 609). Hat der Kl von seinem Initiativrecht nach § 96 keinen Gebrauch gemacht, so ermöglicht § 98 dem Beklagten seinerseits, die Zuständigkeit der KfH zu begründen. Es muss sich zum einen um eine Handelssache (§ 95) handeln. Insofern ist die Angabe der Tatsachen oder die Begründung einer tragenden Rechtsmeinung zweckdienlich. Sind mehrere Beklagte in Anspruch genommen, von denen nur einer Kaufmann ist, kommt eine Verweisung nur zustande, wenn eine Trennung zulässig ist (vgl Hamm 6.11.18 – 32 SA 34/18, juris Rz 22). Dabei bildet der Wunsch, vor der KfH zu verhandeln, noch keinen ausreichenden Trennungsgrund (Dresd AGS 10, 309 [OLG Dresden 29.01.2010 - 3 AR 3/10]; LG Berlin 6.3.17 – 28 OH 2/17 für das Beweisverfahren). Zum anderen ist ein Antrag des Beklagten – nach Rechtshängigkeit (vgl § 101) – erforderlich. Auch hier muss nicht die Form des § 297 ZPO eingehalten werden, auch hier kann Auslegung bei der Ermittlung des Willens des Beklagten behilflich sein (München 18.7.07 – 31 AR 180/07). Als unzureichend wurde angesehen, wenn der Beklagte nur zum Ausdruck bringe, er ›rüge‹ die Zuständigkeit der Zivilkammer (Gaul JZ 84, 61; offen: Brandbg NZBau 17, 666 [OLG München 30.01.2017 - 9 W 2172/16 Bau]). Demgegenüber wurde darauf verwiesen, die Rüge bringe hinreichend zum Ausdruck, dass eine Verhandlung vor der KfH gewünscht sei (van den Hövel NJW 01, 345). Ein ausdrücklicher Antrag verringert jedenfalls das Risiko einer Fehldeutung. Auf das Antragsrecht kann der Beklagte verzichten (Frankf GmbHR 23, 671, 673). Anforderungen an die Rechtzeitigkeit sind in § 101 geregelt. – Weitgehend leer läuft die Regelung des Abs 1 S 2. Sie ist durch die Neufassung des § 95 I Nr 1 überholt. Soweit bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Sparkassen etc) durch den überschießenden Regelungsgehalt des Abs 1 S 2 die Nichteintragung einem Antrag nach Abs 1 S 1 entgegenstehen sollte, kann eine harmonisierende Auslegung helfen. Die Aufrechterhaltung der Norm wird als redaktionelles Versehen gewertet (MüKoZPO/Pabst Rz 4). Zum Antrag in einer Schutzschrift: § 101 Rn 1.
B. Ausschluss bei Widerklage.
Rn 2
Auch wenn die Voraussetzungen vorliegen, kommt eine Verweisung nicht in Betracht, wenn der in Abs 2 besonders geregelte Fall eines widersprüchlichen Verhaltens vorliegt. Hat nämlich der Rechtsstreit vor dem AG begonnen und wurde von diesem an eine Zivilkammer des LG verwiesen, so kann der Beklagte Verweisung an die KfH dann nicht verlangen, wenn er selbst eine Widerklage erhoben hat, deren Gegenstand keine Handelssache ist. Auf diese Weise ist ein ›Erschleichen‹ der Zuständigkeit der KfH ausgeschlossen (Kissel/Mayer Rz 4). Auch hier soll aber Trennung nach § 145 ZPO möglich sein (MüKoZPO/Pabst Rz 6; aA Musielak/Voit/Wittschier Rz 5). – Vollends widersprüchlich erscheint das Vorgehen, wenn der Beklagte in einem vor einer Zivilkammer anhängigen Verfahren eine Widerklage erhebt, die nicht Handelssache ist, und gleichzeitig beantragt, der Rechtsstreit solle an die KfH verwiesen werden. In diesem Fall bleibt es bei der Zuständigkeit der Zivilkammer, andernfalls hätte es der Beklagte an der Hand, die Widerklage selbstständig als Klage anzubringen (Gaul JZ 84, 62). – Eine eigene Situation entsteht, wenn der Beklagte die Verweisung einer gegen ihn gerichteten Handelssache anstrebt und gleichzeitig eine Widerklage einbringt, deren Gegenstand eine Handelssache ist. Hier fehlt hinsichtlich der Widerklage ein eigenes Antragsrecht. Es bliebe die Möglichkeit, die Widerklage isoliert anhängig zu machen und dann die Verbindung anzuregen. Hier ist aber von übertriebener Förmelei abzusehen. Widerklage und Verweisungsantrag stehen in keinem sachlichen Widerspruch (MüKoZPO/Pabst Rz 8).
C. Grundzuständigkeit der Zivilkammer.
Rn 3
Anders als in § 97 II für die KfH eingeräumt wird der Zivilkammer in Abs 3 eine Verweisung von Amts wegen verwehrt. Ohne einen Antrag ist die Zivilkammer im Regelfall immer zuständig (›Grundzuständigkeit‹), auch wenn das Gesetz hin und wieder missverständlich formuliert, ein Rechtsstreit ›gehöre‹ vor die KfH, § 98 I, § 103. Eine Ausnahme gilt allerdings im Fall der ausschließlichen Zuständigkeit der KfH (§ 94 Rn 3), etw...