Rn 1
§§ 21a–21i sind durch das ›Gesetz zur Änderung der Bezeichnung der Richter und ehrenamtlichen Richter und der Präsidialverfassung der Gerichte‹ v 26.5.72 (BGBl I, 841 ff) in das GVG als Zweiter Titel ›Allgemeine Vorschriften über das Präsidium und die Geschäftsverteilung‹ neu gefasst und nach § 21 eingefügt. Zugleich wurde die seit dem In-Kraft-Treten des GVG v 27.1.1877 (RGBl 1877, 41) am 1.10.1879 im Fünften Titel geregelte Geschäftsverteilung bei den Landgerichten, der bis dahin Musterfunktion für das OLG und das Reichsgericht bzw später den BGH zukam, aufgehoben und der frühere Erste Titel ›Richteramt‹, dessen Regelungen über das Richteramt bereits in das Deutsche Richtergesetz v 8.9.61 (BGBl I, 1665; neu gefasst am 19.4.72, BGBl I, 713) ausgegliedert waren, sowie der Zweite Titel ›Gerichtsbarkeit‹ zu einem neuen einheitlichen Ersten Titel ›Gerichtsbarkeit‹ zusammengefasst. Dieses Reformgesetz abstrahierte das 1879 geschaffene Grundmuster der landgerichtlichen Geschäftsverteilung und verselbstständigte es als Präsidialverfassung der Gerichte. Auch diese neue Präsidialverfassung des GVG gilt unmittelbar nur für die ordentlichen Gerichte (§ 12, § 2 EGGVG). Sie ist aber aufgrund ihrer Abstraktheit transferfähig für die Fachgerichtsbarkeiten, in die sie durch dynamische Verweisungsnormen, teils mit gewissen Modifikationen, positiv integriert ist: durch § 4 VwGO für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, durch § 4 FGO für die Finanzgerichtsbarkeit, durch § 6a ArbGG für die Arbeitsgerichtsbarkeit, durch § 6 SGG für die Sozialgerichtsbarkeit, ferner durch § 68 PatG, §§ 97, 105 BRAO, §§ 102, 107 BNotO, §§ 72, 80 WDO (MüKoZPO/Pabst vor § 21a GVG Rz 5).
Rn 2
Die aktuelle Fassung des Zweiten Titels ist durch das Gesetz zur Stärkung der Unabhängigkeit der Richter und Gerichte v 22.12.99 (BGBl I, 2598) sowie bzgl § 21j durch Art 17 Nr 2 des Ersten Gesetzes zur Bereinigung des Bundesrechts im Zuständigkeitsbereich des BMJ v 19.4.06 (BGBl I, 866) bestimmt. Sie hat die vormals geltende Dreiteilung der Präsidien in große, kleine und Gesamtpräsidien durch eine Fünfteilung in sehr große (10), große (8), mittlere (6), kleine (4 gewählte Mitglieder) und Gesamtpräsidien ersetzt, den Quotenvorbehalt für die wählbaren Vorsitzenden Richter – ein Rudiment des früheren Direktoriums des Landgerichts bzw des Senatoriums des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs – endgültig beseitigt, den Stichentscheid des Vorsitzenden des Präsidiums durch das Prinzip der Stimmenmehrheit in § 21e VII 1 ersetzt und die spruchkörperinterne Geschäftsverteilung in § 21g unter Ausschluss jeglichen Restes eines Verteilungsermessens des Spruchkörpervorsitzenden neu geregelt; im Wesentlichen ist § 21g zu einem spruchkörperinternen Spiegelbild des § 21e geworden (Remus S 150). Zu den Neuerungen zählt auch die Entscheidung für die fakultative Richteröffentlichkeit der Präsidiumssitzungen gem § 21e VIII.
Rn 3
Die Präsidialverfassung dient der richterlichen Selbstverwaltung, bei der eine Mitbestimmung der Richterräte nicht stattfindet (BVerwG NJW 87, 1215). Diese Selbstverwaltung der Richter besteht in der personellen und sachlichen Geschäftsverteilung unter Ausschluss der Exekutive, nicht aber unter Ausschluss der Legislative oder der rechtsverordnenden Exekutive, die mit dem Vorrang des formellen und materiellen Gesetzes die Selbstverwaltungskompetenz des geschäftsverteilenden Präsidiums und des geschäftsverteilenden Spruchkörperplenums gem Art 20 III GG – nicht: gem Art 97 I GG – bindet (Remus S 222 ff).
Mit dieser abstrakten Form der Präsidialverfassung ist einfach-gesetzlich – möglicherweise aber auch verfassungsgewohnheitsrechtlich (Remus S 311) – die Trennlinie zwischen der Exekutive und der Judikative gezogen. Die von der Exekutive unabhängige Recht sprechende Gewalt (Art 92, 97 I GG) ist in der Rspr allein an Gesetz und Recht gebunden, iRd Geschäftsverteilung nach der Präsidialverfassung der §§ 21e und 21g an den Vorbehalt und den Vorrang des Gesetzes aus Art 20 III GG. Wo das materielle und formelle Gesetz gerichtsintern und spruchkörperintern die Zuständigkeit des konkreten Richters nicht bestimmt, ist durch die Präsidialverfassung formell-gesetzlich bestimmt, wer – das Präsidium und das Spruchkörperplenum – was und wie (§§ 21e und 21g) regeln darf und regeln muss, um für den konkret anhängigen Fall den gesetzlichen Richter gem Art 101 I 2 GG zu bestimmen, der nicht entzogen werden darf, weil Jedermann aus Art 3 I iVm Art 101 I 2 GG ein ungeschriebenes Grundrecht auf seinen gesetzlichen Richter oder zumindest unmittelbar aus Art 101 I 2 GG ein entsprechendes Verfahrensgrundrecht (stRspr; BVerfGE 107, 395, 407 [BVerfG 30.04.2003 - 1 PBvU 1/02]; hM: Jarass/Kment Art 101 Rz 11), dessen Verletzung durch willkürliche Maßnahmen eintritt, hat. Dieses Recht auf den gesetzlichen Richter ist unverzichtbar (BGH FamRZ 09, 1044 Rz 17). Im Verhältnis zum zuständigen Einzelrichter ist deshalb das Spruchkörperkollegium auch nicht das ›bessere Gericht‹ (BVerfG K NJW-...