Gesetzestext
(1) Diese Verordnung gilt nur für am oder nach dem 1. August 2022 eingeleitete gerichtliche Verfahren, förmlich errichtete oder eingetragene öffentliche Urkunden und eingetragene Vereinbarungen.
(2) Die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 gilt weiter für Entscheidungen in vor dem 1. August 2022 eingeleiteten gerichtlichen Verfahren, für vor dem 1. August 2022 förmlich errichtete oder eingetragene öffentliche Urkunden und für Vereinbarungen, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie geschlossen wurden, vor dem 1. August 2022 vollstreckbar geworden sind und in den Anwendungsbereich der genannten Verordnung fallen.
Rn 1
Ob die neue VO oder die vormalige Brüssel IIa-VO Anwendung findet, hängt bei gerichtlichen Verfahren von der Einleitung ab (näher Art 17 Rn 1). Die Einreichung eines VKH-Antrags vor dem 1.8.22 für ein beabsichtigtes Verfahren führt infolge einer fehlenden Verfahrenseinleitung (näher Art 17 Rn 7) nicht zu den Regelungen der Brüssel IIa-VO, sondern die der Brüssel IIb-VO. Eine Einleitung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens bei einer nationalen Schlichtungsbehörde führt dagegen bereits zur Einleitung des Verfahrens (Erw 35).
Rn 2
Die Überleitungsvorschrift des Art 100 Brüssel IIb-VO ist nicht unproblematisch. Wird bspw das Hauptsacheverfahren vor dem 1.8.22 eingeleitet, ein eAO-Verfahren in derselben Angelegenheit dagegen erst nach dem 1.8.22, ist auf die Eigenständigkeit der jeweiligen Verfahren abzustellen (zum Unterhalt vgl BGH FamRZ 20, 123 m Anm Dimmler FamRB 20, 9 zur polnischen Sicherungsverfügung). Wird in Deutschland vor dem 1.8.22 ein eAO-Verfahren und nach dem 1.8.22 ein Hauptsacheverfahren eingeleitet, so findet die Brüssel IIb-VO nur auf das Hauptsacheverfahren Anwendung.
Rn 3
Wird ein vor dem 1.8.22 eingeleitetes Verfahren vor oder nach dem 1.8.22 entschieden und wird gg diese Entscheidung nach dem 1.8.22 ein Rechtsmittel eingelegt, so verbleibt es wegen der Einheitlichkeit des Verfahrens bei der Anwendung der vormaligen Brüssel IIa-VO. Auch die Vollstreckung einer Entscheidung eines vor dem 1.8.22 eingeleiteten Verfahrens richtet sich in aller Regel nach der Brüssel IIa-VO (EuGH, ECLI:EU:C:2023:103, FamRZ 23, 692 Rz 56). Wird ein Verfahren nach Art 15 Brüssel IIa-VO nach dem 1.8.22 an ein anderes Gericht verwiesen, so wird die Brüssel IIb-VO idR für das weitere Verfahren maßgeblich werden. Denn das vormalige Verfahren im ursprünglichen Mitgliedstaat ist nunmehr formell beendet. Soweit das nunmehr mit der Sache befasste Gericht allerdings bspw ein Sachverständigengutachten aus dem vormaligen Verfahren des abgebenden Mitgliedstaats in seinen weiteren Verfahrensablauf mit einbezieht, so findet die Brüssel IIa-VO Anwendung; denn in diesem Fall wird das ursprüngliche Verfahren vom Gericht des übernehmenden Mitgliedstaats – zumindest tw – fortgesetzt.