Gesetzestext
(1) Eine in einem Mitgliedstaat in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung ergangene Entscheidung, die in diesem Mitgliedstaat vollstreckbar ist, ist in den anderen Mitgliedstaaten vollstreckbar, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf.
(2) Für die Zwecke der Vollstreckung einer Entscheidung über das Umgangsrecht in einem anderen Mitgliedstaat kann das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats die Entscheidung ungeachtet der Einlegung eines Rechtsbehelfs für vorläufig vollstreckbar erklären.
Rn 1
Art 34 ff sehen – erstmals – die exequaturlose Vollstreckung für alle mitgliedstaatlichen Entscheidungen (Art 2 Rn 2) vor; für die Umgangs- und Rückgabevollstreckung – sog privilegierte Entscheidungen – gelten wiederum abweichende noch günstigere Vorschriften (Art 42–50; vgl zu Privilegierung unter Geltung der Brüssel IIa-VO Art 42 Rz 3 der Voraufl). Die exequaturlose Vollstreckung stellt sich bei genauerer Betrachtung allerdings eher als ›Mogelpackung‹ heraus. Angesichts der vielfältigen Aussetzungsmöglichkeiten und insb des Vorrangs der späteren Entscheidung im Vollstreckungsstaat (Art 39 I lit d und lit e für nicht privilegierte und Art 50 für privilegierte Entscheidungen) wird das ›Heimwärtsstreben‹ deutlich.
Rn 2
Die zu vollstreckende Entscheidung muss nicht rechtskräftig sein. Eine Entscheidung, die im Ursprungsmitgliedstaat aufgehoben oder deren Vollziehbarkeit ausgesetzt worden ist, kann nicht mehr vollstreckt werden (ThoPu/Hüßtege Art 34 Rz 2). Denn eine Anerkennung und Vollstreckung einer im Ursprungsstaat aufgehobenen Entscheidung im Inland kommt nicht in Betracht, da die ausländische Entscheidung keine weitergehenden Rechtswirkungen entfalten kann als im Ursprungsstaat (BGH IPRax 21, 583 [BGH 09.07.2020 - IX ZB 86/18], NJW 16, 248 [BGH 23.09.2015 - XII ZB 234/15]). Dies ist bei entsprechender Kenntnis des Vollstreckungsgerichts amtswegig zu beachten (Art 56, 63).
Rn 3
Ggf ist der Inhalt der zu vollstreckenden Entscheidung durch Auslegung zu ermitteln (BGH NJW 14, 702 [BGH 21.11.2013 - IX ZB 44/12]).
Rn 4
Art 34 II sieht die vorläufige Vollstreckbarkeit in einer Umgangsentscheidung vor.