Gesetzestext
Die Anerkennung einer Entscheidung, die die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe betrifft, wird versagt,
a) |
wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widerspricht; |
b) |
wenn dem Antragsgegner, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt wurde, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, es wird festgestellt, dass er mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist; |
c) |
wenn die Entscheidung mit einer Entscheidung unvereinbar ist, die in einem Verfahren zwischen denselben Parteien in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist; oder |
d) |
wenn die Entscheidung mit einer früheren Entscheidung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat zwischen denselben Parteien ergangen ist, sofern die frühere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird. |
A. Überblick.
Rn 1
Art 38 betrifft ebenso wie Art 39 die Gründe für die Versagung einer Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den Fällen des Art 30 III und Art 40 I (zu öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen s Art 65 I).
Rn 2
Die Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung iSv Art 40 I sind dabei abschließend katalogisiert. Ob eine amtswegige Prüfung zu erfolgen hat, erschließt sich aus der VO nicht. Allerdings sieht § 44j I 3 IntFamRVG vor, dass der Antragsteller die zur Begründung einer Versagung dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben hat. Dies spricht gegen eine Prüfung vAw (iE ebenso ThoPu/Hüßtege Vorbem Art 38–41 Rz 3).
B. Anerkennungsversagungsgründe.
Rn 3
Art 38 nennt in lit a–d vier Gründe für die Nichtanerkennung von Entscheidungen in Ehesachen.
Rn 4
Lit a setzt eine offensichtliche Unvereinbarkeit mit dem ordre public voraus, ist also auf krasse Fälle zu beschränken, auch angesichts des erreichten gemeinsamen Grundrechtsstandards der Mitgliedstaaten (kein Ordre-public-Verstoß bei Entscheidung durch das zweitangerufene Gericht, EuGH FamRZ 19, 1164 = ECLI:EU:C:2019:24, Anm Dimmler FamRB 19, 174).
Rn 5
Lit b betrifft die Fälle, in denen das rechtliche Gehör des Antragsgegners verletzt wurde. Lit b gewährleistet das rechtliche Gehör von Verfahrensbeteiligten, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen haben (vgl auch Stuttg FamRZ 14, 1567). Diese Norm hat erhebliche Relevanz für die Praxis. Die Vorschrift stellt darauf ab, dass die Zustellung dem Antragsgegner die Möglichkeit der Verteidigung eröffnet hat. Hieran wird es va fehlen, wenn der Antragsgegner die Antragsschrift nicht verstehen konnte, weil sie nicht in einer der in Art 12 der EuZustVO (s dazu Art 19 Rn 3) genannten Sprachen verfasst bzw übersetzt ist, also nicht in einer Sprache, die entweder der Antragsgegner versteht oder aber die Amtssprache des Zustellungsortes ist. Weiterhin kennt die EuZustVO keine fiktiven Zustellungsformen (EuGH NJW 05, 3627). Auch die Verpflichtung zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten ist nicht vorgesehen (EuGH NJW 13, 443; vgl auch BGH NJW 11, 2218 [BGH 11.05.2011 - VIII ZR 114/10], wonach eine spätere Zustellung durch Aufgabe zur Post bei Nichtbestellung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich ist).
Rn 6
Ist die Anschrift des Empfängers dagegen unbekannt, findet die EuZustVO (Art 1 II) keine Anwendung (Ausnahme Art 7 EuZustVO). Eine öffentliche Zustellung ist nur möglich, wenn das Gericht trotz sorgfältigster Bemühungen eine ladungsfähige Adresse des Gegners nicht ermitteln konnte (EuGH IPRax 13, 341 [EuGH 15.03.2012 - Rs. C-292/10]). Wurden derartige Nachforschungsmaßnahmen nicht ausgeschöpft, ist der Entscheidung die Anerkennung zu versagen. Allerdings kann sich der Antragsgegner auf diese Vorschrift dann nicht berufen, wenn festgestellt wird, dass er mit der Entscheidung eindeutig einverstanden gewesen ist. Das ist aber nicht etwa schon der Fall, wenn der Antragsgegner trotz Kenntnis von der Ausgangsentscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt hat (NK-BGB/Andrae Art 22 Brüssel IIa-VO Rz 12).
Rn 7
Die lit c und d erfassen die Unvereinbarkeit der Entscheidung mit einer früheren Entscheidung des Anerkennungsstaats bzw mit einer im Anerkennungsstaat anzuerkennenden früheren Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats.