Gesetzestext

 

(1) Die Anerkennung einer Entscheidung in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung wird abgelehnt,

a) wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Mitgliedstaats, in dem sie geltend gemacht wird, offensichtlich widerspricht, wobei das Kindeswohl zu berücksichtigen ist;
b) wenn der betreffenden Person, die sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt wurde, dass sie sich verteidigen konnte, es sei denn, es wird festgestellt, dass sie mit der Entscheidung eindeutig einverstanden ist;
c) wenn eine Person dies mit der Begründung beantragt, dass die Entscheidung in ihre elterliche Verantwortung eingreift, falls die Entscheidung ergangen ist, ohne dass diese Person die Möglichkeit hatte, gehört zu werden;
d) wenn und soweit die Entscheidung mit einer späteren Entscheidung über die elterliche Verantwortung unvereinbar ist, die in dem Mitgliedstaat, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, ergangen ist;
e) wenn und soweit die Entscheidung mit einer späteren Entscheidung über die elterliche Verantwortung unvereinbar ist, die in einem anderen Mitgliedstaat oder in dem Drittstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes ergangen ist, sofern die spätere Entscheidung die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung in dem Mitgliedstaat erfüllt, in dem die Anerkennung geltend gemacht wird, oder
f) wenn das Verfahren des Artikels 82 nicht eingehalten wurde.

(2) Die Anerkennung einer Entscheidung in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung kann abgelehnt werden, wenn sie ergangen ist, ohne dass dem Kind, das fähig ist, sich seine eigene Meinung zu bilden, Gelegenheit zur Meinungsäußerung gemäß Artikel 21 gegeben wurde, außer wenn

a) das Verfahren nur das Vermögen des Kindes betraf und sofern es in Anbetracht des Verfahrensgegenstandes nicht erforderlich war, ihm diese Gelegenheit zu geben; oder
b) es schwerwiegende Gründe gab, wobei insbesondere die Dringlichkeit des Falls zu berücksichtigen ist.
 

Rn 1

Art 39 entspricht im Wesentlichen den in Art 23 Brüssel IIa-VO genannten Versagungsgründen (vgl die dortige Kommentierung). Wird das Verfahren zur Unterbringung eines Kindes nach Art 82 nicht eingehalten, gelangt der Versagungsgrund des Art 39 I lit f) zur Anwendung.

 

Rn 2

Eine Versagung der Anerkennung kann nach Art 39 II erfolgen, sofern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden (vgl Art 21), keine Gelegenheit zur Meinungsäußerung gegeben wurde. Wie und ab welchem Alter die Kindesanhörung zu erfolgen hat, richtet sich allerdings – unter Berücksichtigung des Kindeswohls – nach jeweiligem nationalen Verfahrensrecht (Erw 39). Eine Anerkennungsversagung wegen einer fehlenden richterlichen Anhörung des Kindes hat auszuscheiden, wenn das Kind nach dem Verfahrensrecht eines Mitgliedstaats in anderer Weise hinreichend angehört worden ist (Erw 57 S 2), bspw durch eine Behörde oder einen Sachverständigen. Überdies ist der Anerkennungsversagungsgrund in Art 39 II als Ermessensentscheidung des Gerichts geregelt. Das jeweilige nationale Verfahrensrecht entscheidet auch, ob die Versagung vAw oder nur auf Antrag erfolgt (Erw 54). Schwerwiegende Gründe, insb Dringlichkeit des Falls, können ein Absehen von der Anhörung rechtfertigen (Erw 57 S 4). Die unmittelbare Gefahr für die körperliche und seelische Unversehrtheit oder das Leben des Kindes und das Risiko, dass sich durch jede weitere Verzögerung diese Gefahr realisieren könnte, stellen schwerwiegende Gründe dar (Erw 57 S 5). Die spezielle Zuständigkeit des AG nach §§ 10, 12 IntFamRVG bleibt erhalten. Für das Verfahren werden über Art 40 I die Art 59–62 und ggf die Art 69 ff maßgebend. Bei privilegierten Entscheidungen nach Art 42 I (Umgang und Rückgabe) gelten die Art 43, 44.

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