Gesetzestext
(1) Im Verhältnis zum Haager Übereinkommen von 1996 ist diese Verordnung anwendbar
a) |
vorbehaltlich des Absatzes 2 des vorliegenden Artikels, wenn das betreffende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat; |
b) |
in Fragen der Anerkennung und der Vollstreckung einer von einem Gericht eines Mitgliedstaats erlassenen Entscheidung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats, auch wenn das betreffende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Staats hat, der Vertragspartei des genannten Übereinkommens ist, in dem diese Verordnung jedoch nicht gilt. |
(2) Unbeschadet des Absatzes 1 gilt Folgendes:
a) |
Haben die Parteien die Zuständigkeit eines Gerichts eines Staats vereinbart, der Vertragspartei des Haager Übereinkommens von 1996 ist, in dem diese Verordnung jedoch nicht gilt, so findet Artikel 10 des genannten Übereinkommens Anwendung; |
b) |
Auf die Übertragung der Zuständigkeit zwischen einem Gericht eines Mitgliedstaats und einem Gericht eines Staats, der Vertragspartei des Haager Übereinkommens von 1996 ist, in dem diese Verordnung jedoch nicht gilt, finden die Artikel 8 und 9 des genannten Übereinkommens Anwendung; |
c) |
Ist ein Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung bei einem Gericht eines Staats, der Vertragspartei des Haager Übereinkommens von 1996 ist, in dem diese Verordnung jedoch nicht gilt, zu dem Zeitpunkt anhängig, zu dem ein Gericht in einem Mitgliedstaat mit einem dasselbe Kind betreffenden Verfahren wegen desselben Anspruchs befasst wird, so findet Artikel 13 des genannten Übereinkommens Anwendung. |
Rn 1
Art 97 I lit a zufolge verdrängt die VO das Haager Kinderschutzübereinkommen v 19.10.96 (KSÜ) – das für Deutschland seit dem 1.1.11 gilt – im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander vollständig, wenn das verfahrensbetroffene Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt (s dazu Art 7 Rn 2) in einem Mitgliedstaat hat, und zwar selbst dann, wenn das Kind die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats innehat. Die Brüssel IIb-VO beansprucht nach inzwischen ganz überwiegender Meinung auch in denjenigen Fällen Vorrang, in denen sich das Kind, das lediglich die Staatsangehörigkeit eines KSÜ-Vertragsstaates besitzt, gewöhnlich in einem EU-Mitgliedstaat aufhält (Rauscher/Rauscher Art 61 Brüssel IIb-VO Rz 9; Hausmann Art 61 Brüssel IIb-VO Rz F 353; Benicke IPRax 13, 53; aA wohl noch Andrae IPRax 06, 84, wonach die unionsrechtliche Regelungskompetenz infrage stehe). Sofern das Kind während eines anhängigen Verfahrens betreffend die elterliche Verantwortung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Drittstaat, der KSÜ-Vertragsstaat ist, begründen sollte, entfällt zwingend die bisherige Zuständigkeit nach der VO; das KSÜ (Art 5 II) kennt keine ›perpetuatio fori‹ (EuGH FamRZ 22, 1476 = ECLI:EU:C:2022:562; Anm Dimmler FamRB 22, 482; Frankf FamRZ 20, 1119; KG FamRZ 15, 1214; Saarbr IPRspr 15, Nr 245, 609; Karls FamRZ 14, 1565; Hausmann Art 61 Rz F 356; aA NK-BGB/Gruber Art 61 Brüssel IIa-VO Rz 3 f sowie Gruber IPRax 13, 412). Bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes in einen Drittstaat, der weder MSA- noch KSÜ-Vertragsstaat ist, hat es jedenfalls bei der Zuständigkeit nach Art 7 I zu verbleiben (s Art 7 Rn 7).
Rn 2
Art 97 I lit b ordnet die Anwendbarkeit der VO hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung einer in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung auch in denjenigen Fällen an, in denen das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem KSÜ-Vertragsstaat hat.
Rn 3
Art 97 II enthält gegenüber der vormaligen Brüssel IIa-VO (dort Art 61) nunmehr ergänzende Regelungen im Verhältnis zum KSÜ und dessen Anwendbarkeit.