Gesetzestext
(1) Das Oberlandesgericht erlässt auf Grund mündlicher Verhandlung den Musterentscheid durch Beschluss. Die Beigeladenen müssen nicht im Rubrum des Musterentscheids bezeichnet werden. Der Musterentscheid wird den Beteiligten und den Anmeldern zugestellt. Die Zustellung kann durch öffentliche Bekanntmachung ersetzt werden. § 11 Absatz 2 Satz 2 gilt entsprechend.
(2) Über die im Musterverfahren angefallenen Kosten entscheidet das Prozessgericht.
A. Zweck und dogmatische Einordnung.
Rn 1
Der Musterentscheid schließt das Musterverfahren nach der obligatorischen mündlichen Verhandlung ab. Wegen der äußeren Form als Beschluss gilt § 329 ZPO. Jedoch hat der Musterentscheid zugleich ›urteilsvertretenden Charakter‹ (BTDrs 15/5091, 29), sodass auch die Regeln zum Urteil heranzuziehen sind, sofern dies nicht der Beschlussform widerspricht (Vorwerk/Wolf/Kotschy Rz 6). Die Bindungswirkung des Musterentscheids für die Ausgangsverfahren ist in § 22 KapMuG geregelt.
B. Inhalt des Musterentscheids.
I. Rubrum.
Rn 2
Es gelten § 313 I Nr 1–3 ZPO. Allerdings erlaubt § 16 I 2 KapMuG das Weglassen der Beigeladenen im Rubrum des Musterentscheids. Dies ist aber wegen der damit verbundenen Unsicherheiten, zB über die Beschwerdeberechtigung und die Kostentragung, nicht empfehlenswert, zumal das Gericht ggf ohnehin ein Register der Beigeladenen zu führen hat (Wieczorek/Schütze/Reuschle Rz 14).
II. Tenor.
Rn 3
Die Tenorierung des Musterentscheids orientiert sich an dessen Zweck, nämlich bestimmte Anspruchsvoraussetzungen (Tatsachen) festzustellen oder einzelne Rechtsfragen zu beantworten. Daher sind im Tenor des Musterentscheids alle Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses sowie etwaiger gem § 15 KapMuG vorgenommener Erweiterungen abzuhandeln. Nach Feststellung eines Prospektfehlers dürfen andere behauptete Prospektfehler nicht für gegenstandslos erklärt werden, wenn sie in den Ausgangsverfahren noch erheblich sein könnten (BGH NJW-RR 22, 1708, 1713 [BGH 26.07.2022 - XI ZB 23/20]). Die Formulierungen im Tenor müssen jedoch nicht mit denen des Vorlagebeschlusses identisch sein, sondern können zum Zwecke der besseren Verständlichkeit vom Vorlagebeschluss abweichen (KK-KapMuG/Vollkommer Rz 19). Ein Teil-Musterentscheid ist in Anlehnung an § 301 ZPO möglich (Braunschw NJW-RR 19, 1400 [OLG Braunschweig 12.08.2019 - 3 Kap 1/16]).
III. Keine Kostenentscheidung.
Rn 4
Weil gem § 24 I KapMuG die Kosten des Musterverfahrens zu denen des Ausgangsverfahrens gerechnet werden, enthält der Musterentscheid keine Kostenentscheidung. Damit aber die Prozessgerichte in den Ausgangsverfahren die Berechnung gem § 24 KapMuG bzw Nr 9018 KV GKG vornehmen können, sollte der Musterentscheid die Gesamthöhe der Ansprüche (s § 24 II u III KapMuG) nennen, die vom Musterkläger und den auf seiner Seite Beigeladenen geltend gemacht werden (vgl Vorwerk/Wolf, 1. Aufl, § 14 KapMuG aF Rz 5: ›Streitwertbeschluss‹).
IV. Tatbestand und Gründe.
Rn 5
Der Musterentscheid muss begründet werden (KK-KapMuG/Vollkommer § 14 KapMuG aF Rz 13) und ist zweckmäßigerweise ähnl einem Urt auch mit einem Tatbestand zu versehen, aus dem das Vorbringen der Parteien hervorgeht, wobei der Vorlagebeschluss an die Stelle der Parteianträge tritt (Vollkommer aaO Rz 28).
C. Verfahren.
Rn 6
Die mündliche Verhandlung ist zwingend; § 128 ZPO kommt nicht zur Anwendung (aA KK-KapMuG/Vollkommer Rz 7: Mit Zustimmung aller Beteiligten für Teile des Vorlagebeschlusses möglich). Ein Säumnisbeschluss analog § 330 ZPO ist ausgeschlossen (str, vgl § 11 KapMuG Rn 13).