I. Initiative (Abs 1 S 1).
Rn 2
Der Vergleichsvorschlag wird von Musterkläger und Musterbeklagten in einem gemeinsamen Schriftsatz an das Gericht gesandt (Abs 1 S 1, 1. Alt). Alternativ kommt auch ein schriftlicher Vorschlag des Gerichts in Betracht, den das Gericht gem § 278 I u VI ZPO ausarbeiten kann (Abs 1 S 1, 2. Alt). In diesem Falle kommt eine Genehmigung des Vergleichs nur in Betracht, wenn Musterkläger und Musterbeklagte dem Vorschlag des Gerichts vorbehaltslos und ohne Abänderungen zustimmen; dies ergibt sich aus der Vertragsnatur des Vergleichs, vgl Zö/Greger § 278 ZPO Rz 30.
II. Inhalt des Vergleichsvorschlags (Abs 2).
Rn 3
Die Parteien sind im Grundsatz bei der Gestaltung des Vergleichs frei, er soll sich aber als ›abschließende und umfassende Einigung‹ darstellen (BTDrs 17/8799, 24), um weitere Rechtsstreitigkeiten nach Möglichkeit zu vermeiden. Zu diesem Zweck enthält Abs 2 einen Soll-Inhalt des Vergleichs, ohne den in der Regel eine Genehmigung nicht in Betracht kommt.
Rn 4
Insbesondere ist gem Abs 2 Nr 1 die Verteilung der vereinbarten Leistung auf die Beteiligten zu regeln, dh es sind bereits an dieser Stelle konkrete und individualisierte Leistungsbestimmungen zulässig (Wigand ZBB 12, 194, 202 f), sofern dies der Sache nach möglich ist. In Betracht kommt auch eine Differenzierung der Kläger in unterschiedliche Gruppen oder Schadensklassen (BTDrs 17/8799, 24). Wird die Verteilung der im Vergleich zugesagten Leistungen an dieser Stelle noch nicht individualisiert – etwa wegen noch zu treffender Feststellungen über die individuelle Schadenshöhe – so ist gem Abs 2 Nr 2 zumindest ein idR außergerichtliches Verfahren vorzusehen und zu vereinbaren, in welchem dann diese Feststellungen getroffen werden. Da der Vergleich keinen neuen gerichtlichen Klärungsbedarf erzeugen soll (BTDrs 17/8799, 24), wird dies idR ein Schiedsverfahren – ggf unter Einbeziehung externer Dienstleister bzw ›Auszahlungsstellen‹ (BTDrs 17/8799, 24) – sein (vgl Schneider/Heppner BB 12, 2703, 2705).
Rn 5
Allerdings deutet § 23 IV KapMuG (s dort) darauf hin, dass bei vollständiger Nichterfüllung des Vergleichs durch die Musterbeklagten der Rechtsweg weiterhin eröffnet sein soll. Die Bestimmung der Fälligkeit der Leistung gem Abs 2 Nr 3 ist in diesem Zusammenhang zu sehen (BTDrs 17/8799, 24).
Rn 6
Der Vergleich soll gem Abs 2 Nr 4 auch eine Regelung über die Verteilung der Kosten des Musterverfahrens enthalten, damit die in den Ausgangsverfahren gem § 23 III KapMuG zu treffenden Kostenentscheidungen jedenfalls insoweit einheitlich ergehen (BTDrs 17/8799, 24).
Rn 7
Vor allem aus Sicht des oder der Beklagten soll mit einem Vergleich in einem Kollektivverfahren auch möglichst umfassender Rechtsfrieden (finality) erreicht werden. Dies ist über §§ 17 ff KapMuG nicht ganz einfach, weil mindestens drei Gruppen von Anspruchstellern unterschieden werden müssen: Die Kläger als Beteiligte des Musterverfahrens, die Anmelder gem § 10 KapMuG sowie solche Anspruchsteller, die ihren (ggf unverjährten) Anspruch noch gar nicht geltend gemacht haben. Der KapMuG-Vergleich wirkt gem § 23 I 3 KapMuG nur für die erste Gruppe. Daher kann es sinnvoll sein, den Vergleich über die Beteiligten des Musterverfahrens hinaus auch auf die Anmelder und ggf sogar auf die ganz passiven Anspruchsteller zu erstrecken. Eine solche Integration des KapMuG-Vergleichs in einen größeren Vergleichszusammenhang ist möglich und unterliegt in Bezug auf die nicht vom KapMuG-Vergleich betroffenen Personen den allgemeinen Regeln, dh es ist deren explizite Zustimmung erforderlich. Der KapMuG-Vergleich kann mit einer auflösenden Bedingung versehen werden, die sich zB auf ein bestimmtes Zustimmungsquorum in einem solchen umfassenderen und somit (teilweise) außergerichtlichen Vergleich bezieht.