Gesetzestext
(1) Das Gericht genehmigt den Vergleich durch unanfechtbaren Beschluss, wenn es ihn unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes des Musterverfahrens und des Ergebnisses der Anhörung der Beigeladenen als angemessene gütliche Beilegung der ausgesetzten Rechtsstreitigkeiten erachtet.
(2) Nach der Genehmigung kann der Vergleich nicht mehr widerrufen werden.
A. Zweck.
Rn 1
Mit der gerichtlichen Genehmigung des Vergleichs soll kollusives Vorgehen zu Lasten der Beigeladenen verhindert werden; außerdem soll das Gericht überwachen, ob nicht Interessenkonflikte etwa zwischen den Klägern und ihren Anwälten zu einem vorschnellen Vergleichsschluss führen. Zugleich sollen die Musterbeklagten nicht zu einem unangemessenen Vergleich gezwungen werden. Das Instrument der richterlichen Genehmigung von Vergleichen ist daher international in Verfahren des kollektiven Rechtsschutzes üblich.
B. Genehmigung des Vergleichs (Abs 1).
I. Maßstab der Angemessenheit.
Rn 2
Nach der Regierungsbegründung liegt die Genehmigung des Vergleichs gem § 18 I KapMuG ›im gerichtlichen Ermessen‹ (BTDrs 17/8799, 24); angesichts der Unanfechtbarkeit entsprechender Beschlüsse (unten Rn 4) ist die Abgrenzung zur Interpretation des unbestimmten Rechtsbegriffs der ›Angemessenheit‹ müßig. Der Maßstab der Angemessenheit als Genehmigungsvoraussetzung gilt für jeden Vergleichsvorschlag, auch für solche, die das Gericht selbst entworfen hat, die sich aber später – etwa aufgrund der Anhörung der Beigeladenen – als unangemessen herausstellen (BTDrs 17/8799, 24).
Rn 3
Inhaltlich spricht bei einem von den Parteien vorgeschlagenen und von den Beigeladenen in ihren Stellungnahmen nicht substantiell angegriffenen Vergleichsvorschlag viel für dessen Angemessenheit iSv Abs 1. Will das Gericht den Vergleich trotzdem nicht genehmigen, so sind konkrete Gründe zu benennen. Das niederländische Recht folgt diesem Ansatz zB dadurch, dass es von einer Genehmigung des Vergleichs ausgeht und einzelne Gründe für eine Nicht-Genehmigung in Art. 7.907 III Burgerlijk Wetboek nennt (Übersetzung und Erläuterung bei Mom 353, 456 f). In Betracht kommt insbesondere die mangelnde Durchführbarkeit des im Vergleich vorgesehenen Verteilungsverfahrens oder sachwidrige Diskriminierungen innerhalb der Klägergruppe.
Rn 4
Auf eine Zustimmung einer Mehrheit von Beigeladenen kommt es bei der Genehmigungsentscheidung nicht an, weil deren Anhörung nur Material für die nach sachlichen Gesichtspunkten zu treffende Genehmigungsentscheidung liefern soll (aA Söhner ZIP 13, 7, 12; die dahingehende Äußerung in BTDrs 17/8799, 24 ist aber durch die Einführung des Quorums gem § 17 I 4 KapMuG überholt).
II. Keine Teilgenehmigung.
Rn 5
Der Vergleich kann nur in der Form genehmigt werden, wie er vorgeschlagen wurde; inhaltliche Änderungen durch das Gericht sind nicht möglich. Stattdessen sollte das Gericht die Parteien ggf darauf hinweisen, welche Anforderungen es für eine Genehmigung stellt und einen entsprechend geänderten Vorschlag abwarten (BTDrs 17/8799, 25).
III. Verfahren.
Rn 6
Beschlüsse über die Genehmigung eines Vergleichs sind gem Abs 1 unanfechtbar; es gibt dafür auch kein Bedürfnis, da jeder Beigeladene gem § 19 II austreten kann. Beschlüsse, mit denen eine Genehmigung verweigert wird, sind nur anfechtbar, wenn das OLG die Rechtsbeschwerde gem § 574 I Nr 2 ZPO zulässt (verfassungsrechtliche Bedenken bei Wigand ZBB 12, 194, 203).
C. Kein Widerruf nach Genehmigung (Abs 2).
Rn 7
Wegen Abs 2 kann sich ein Widerrufsvorbehalt im Vergleich nur auf die Zeit vor der gerichtlichen Genehmigung des Vergleichs beziehen; möglich ist aber eine auflösende Bedingung im Vergleich zu vereinbaren, etwa ein strengeres Quorum als in § 17 I 4 KapMuG vorgesehen (vgl BTDrs 17/8799, 25).