I. Gründe.
Rn 1
Die in Abs 1 aufgezählten Gründe der Unzulässigkeit eines Musterverfahrensantrags sind nicht abschließend, denn der Antrag kann auch wegen mangelnder Anwendbarkeit des KapMuG oder fehlenden allgemeinen Prozessvoraussetzungen unzulässig sein (BTDrs 17/8799, 17).
1. Fehlende Abhängigkeit von den Feststellungszielen (Abs 1 Nr 1).
Rn 2
Die Formulierung in Abs 1 Nr 1 ist an die Stelle des hier unpassenden Begriffs der ›Entscheidungsreife‹ getreten. Mit ihr ist eine Abhängigkeit der Entscheidung des Rechtsstreits von den Feststellungszielen im abstrakten Sinne gemeint, dh es muss möglich sein, dass die festzustellenden Tatsachen oder Rechtsfragen entscheidungserheblich werden. Nicht erforderlich ist dagegen, dass die Entscheidung des Rechtsstreits nur (noch) von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängt (LG Lübeck 15.1.18 – 3 O 41/17). Es müssen daher nicht etwa sämtliche anderen ggf erheblichen tatsächlichen und rechtlichen Fragen geklärt sein, sondern das Musterverfahren ist auch dann durchzuführen, wenn individuelle Anspruchsvoraussetzungen noch offen sind (BTDrs 17/8799, 18 mwN). Bei Rechtsfragen soll es an der möglichen Entscheidungserheblichkeit fehlen, wenn diese bereits höchstrichterlich geklärt sind (LG Göttingen 24.2.16 – 16 O 55/13; Koblenz 21.10.15 – 8 U 203/15).
2. Ungeeignete Beweismittel (Abs 1 Nr 2).
Rn 3
Ein Beweismittel ist geeignet, wenn es zum Beweis der als Festellungsziel behaupteten Tatsache tauglich iSd allgemeinen Relationslehre ist. Eine vorweggenommene Beweiswürdigung durch das Prozessgericht findet nicht statt (Vorwerk/Wolf/Stender/Radtke-Rieger Rz 15; aA noch BTDrs 15/5091, 21: ›Beweisantizipation‹).
3. Keine Breitenwirkung (Abs 1 Nr 3).
Rn 4
Die Vorschrift des Abs 1 Nr 3 verweist auf die in § 2 III KapMuG geforderte Breitenwirkung der Feststellungsziele (s § 2 KapMuG Rn 5).
4. Prozessverschleppung (Abs 1 Nr 4).
Rn 5
Ein Musterverfahrensantrag zur Prozessverschleppung mag ausnahmsweise vorliegen, wenn offensichtlich ist, dass der Antrag über das Ausgangsverfahren hinaus keine Relevanz hat (BGH NJW 08, 2187, 2188 [BGH 21.04.2008 - II ZB 6/07] obiter dicta) und subjektiv eine Verschleppungsabsicht erkennbar ist (BTDrs 17/8799, 18).
II. Beschluss über die Unzulässigkeit.
1. Teilzulässigkeit.
Rn 6
Ein zu weiter Musterverfahrensantrag ist ggf als teilweise unzulässig abzuweisen (München NZG 07, 911, 912 [OLG München 01.10.2007 - W (KAPMU) 10/07]; BTDrs 17/8799, 17) und im Übrigen gem Abs 2 bekannt zu machen.
2. Unanfechtbarkeit.
Rn 7
Der Verwerfungsbeschluss gem Abs 1 ist nunmehr vom Gesetzgeber im Interesse der ›Rechtsklarheit und der Verfahrensbeschleunigung‹ (BTDrs 17/8799, 17) als unanfechtbar ausgestaltet. Dies gilt auch dann, wenn die Unzulässigkeit nicht auf einen der in Abs 1 genannten Gründe, sondern auf den fehlenden Anwendungsbereich des KapMuG gestützt wird (BGH ZIP 20, 1702). Führt aber in einem anderen Verfahren ein erfolgreicher Musterverfahrensantrag zu einem Vorlagebeschluss, so hat das Prozessgericht das Verfahren unter den Voraussetzungen des § 8 Abs 1 KapMuG auch dann auszusetzen, wenn es selbst einen entsprechenden Musterverfahrensantrag als unzulässig abgewiesen hatte (vgl BTDrs aaO).