Rn 4

Nach Sinn und Zweck des Gesetzes ist die Vorschrift dahingehend zu ergänzen, dass nur solche Verfahren auszusetzen sind, die sich auch auf den im Vorlagebeschluss beschriebenen Lebenssachverhalt beziehen (vgl zum alten Recht BGH NJW 09, 2539, 2541 [BGH 16.06.2009 - XI ZB 33/08]; Vorwerk/Wolf/Fullenkamp Rz 10; wohl aA für Rechtsfragen KK-KapMuG/Kruis § 8 Rz 41). In Prospekthaftungssachen bilden alle Fehler desselben Prospektes einen einheitlichen Lebenssachverhalt (BGH ZIP 15, 25 Rz 145f). Der Bezug auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt gilt auch für die Klärung von Rechtsfragen im Musterverfahren: Diese sollen nicht mit einer Art erga omnes-Wirkung entschieden werden, sondern nur in Bezug auf ein konkretes Ereignis, dh einen Lebenssachverhalt. Es wäre auch unsinnig, den auf einen anderen Lebenssachverhalt bezogenen Musterverfahrensantrag mangels ›Gleichgerichtetheit‹ (§ 4 I KapMuG) nicht in das Quorum des § 6 I KapMuG einzurechnen, aber das betreffende Verfahren trotzdem auszusetzen.

 

Rn 5

Ebenso wie beim Begriff der ›Gleichgerichtetheit‹ ist es auch für die Aussetzungsentscheidung irrelevant, ob es sich um dieselben oder um andere Beklagte handelt: Wenn das Musterverfahren denselben Lebenssachverhalt betrifft und die Voraussetzungen des § 8 I gegeben sind, so sind auch Verfahren mit anderen Beklagten auszusetzen; diese werden dann gem § 9 V ebenfalls Musterbeklagte im Musterverfahren. Jedoch ist eine Klage trotz Gemeinsamkeiten mit dem Sachverhalt des Musterverfahrens nicht auszusetzen, wenn sie sich auf andere Wertpapiere bezieht als das Musterverfahren, da der Begriff des Lebenssachverhalts im KapMuG emittentenbezogen, dh bezogen auf die jeweilige öffentliche Kapitalmarktinformation zu verstehen ist (vgl BGH ZIP 20, 1518; s.a. § 7 KapMuG Rn 3).

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