I. Auswahl.
Rn 2
Es ist ein Musterkläger aus dem in Abs 2 S 1 genannten Kreis sämtlicher Kläger auszuwählen. Die Auswahlkriterien nennt Abs 2 S 2; die Auflistung ist aber nicht abschließend, dh das ›billige Ermessen‹ des Gerichts kann auch weitere Kriterien umfassen. Der Sache nach ist aber Abs 2 S 2 Nr 1 (Eignung des Klägers) das entscheidende Kriterium, da es den übergeordneten Zweck der Vorschrift beinhaltet, nämlich das Musterverfahren kompetent und interessengerecht durchzuführen. Nr 2 und Nr 3 sind eher als Indizien für eine solche Eignung zu lesen (vgl Wolf/Lange NJW 12, 3751, 3753, vgl zum KapMuG aF KG 11.2.09 – 24 Kap 15/07).
Rn 3
Berücksichtigt man die bewusste Anlehnung des Gesetzgebers an das amerikanische Recht (KK-KapMuG/Reuschle Rz 56), so ergibt sich die folgende Prüfungsreihenfolge: Zunächst ist zu ermitteln, welcher Kläger den höchsten Anspruch (Abs 2 S 2 Nr 3) vertritt, ggf auch als Zessionar. Für diesen Kläger wird vermutet, dass er der geeignetste Musterkläger ist (BTDrs 15/5091, 25; KK-KapMuG/Reuschle Rz 56). Diese Vermutung kann mit Rücksicht auf die Kriterien des Abs 2 S 2 Nr 2 oder Nr 1 widerlegt werden. Bei Nr 2 kommt der Vorschlag einer Klägergruppe in Betracht, die den höchsten Gesamtbetrag auf sich vereint (aA nach Köpfen: Wieczorek/Schütze/Kruis Rz 17). Zu Nr 1 nennt die Regierungsbegründung ua auch die Auswahl eines besonders geeigneten Prozessbevollmächtigten (BTDrs 17/8799, 21), wobei aber hier eher nur negative Indizien ins Gewicht fallen dürften (ausführlich zur Auswahl des Musterklägers Halfmeier ZIP 16, 1705).
Rn 4
Nach dem Wortlaut des Gesetzes könnte ein Kl auch ohne seine Zustimmung zum Musterkläger bestimmt werden; das ist aber aufgrund der gewünschten verfahrensfördernden Rolle des Musterklägers idR nicht sinnvoll (Vorwerk/Wolf/Lange § 8 KapMuG aF Rz 32; vgl KG 11.2.09 – 24 Kap 15/07).
II. Rechte und Pflichten.
Rn 5
Die Erwartung an den Musterkläger, dass er das Verfahren sachdienlich durchführt, ist rein faktischer Natur und enthält keine rechtliche Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die anderen Kläger (Bergmeister 214). Der Musterkläger ist also weder Vertreter noch treuhänderischer Sachwalter für alle anderen Kl, sondern er bildet mit ihnen nur eine Zufallsgemeinschaft im Massenverfahren (KK-KapMuG/Reuschle § 8 KapMuG aF Rz 54 f; BTDrs 15/5091, 49). Etwas anderes mag sich allenfalls aus internen Abreden zwischen den Klägern ergeben, aber nicht aus dem KapMuG. Dieses geht vielmehr in § 14 KapMuG davon aus, dass es Sache der Beigeladenen selbst ist, ihre Interessen durch entsprechenden Vortrag im Musterverfahren geltend zu machen. Daher ist auch der Prozessvertreter des Musterklägers nur ggü seinen Mandanten zur sorgfältigen Prozessführung verpflichtet, nicht aber ggü anderen Beigeladenen, die sich insoweit an die von ihnen beauftragten Anwälte halten müssen.
III. Abberufung.
Rn 6
Die Abberufung des Musterklägers gem Abs 4 ist nur auf Antrag eines Beigeladenen möglich, nicht von Amts wegen (BTDrs 17/8799, 22). Die ›nicht angemessene‹ Führung des Musterverfahrens durch den Musterkläger kann sich auch aus dem Verhalten seines Prozessbevollmächtigten ergeben (BTDrs ebd). Mit der Vorschrift sollen die Interessen der Beigeladenen geschützt werden; dh die ›nicht angemessene‹ Verfahrensführung kann sich nicht auf das Verhalten ggü dem Gericht oder ggü den Bekl beziehen. Da aber die Beigeladenen bei aus ihrer Sicht nachlässiger Verfahrensführung durch den Musterkläger ihre Interessen schon durch die Geltendmachung eigener Angriffs- und Verteidigungsmittel (§ 14 KapMuG) oder durch Antrag auf Erweiterung des Verfahrensgegenstands (§ 15 KapMuG) wahren können, wird die Abberufung des Musterklägers nur in seltenen Ausnahmefällen erforderlich sein.