I. Allgemeine Geschäftsbedingungen.
Rn 3
Gegenstand der Überprüfung ist die Wirksamkeit einzelner Bestimmungen in AGB iSv § 305 I BGB. Ein Vertragsschluss im rechtlichen Sinne ist nicht erforderlich, sondern es reicht aus, wenn der Text nach dem insoweit maßgeblichen Empfängerhorizont den Eindruck erweckt, dass vertragliche oder vorvertragliche Rechte oder Pflichten begründet werden sollen (BGH NJW 14, 2269, 2271 [BGH 09.04.2014 - VIII ZR 404/12]), so etwa bei ›Servicebedingungen‹ auf einer Internet-Seite (LG Hamburg VuR 09, 433 [LG Hamburg 07.08.2009 - 324 O 650/08]). Angaben in Werbeprospekten sollen dagegen nicht Vertragsinhalt werden und sind daher keine AGB (BGH NJW 09, 1337 [BGH 04.02.2009 - VIII ZR 32/08]); es kommt für solche Fälle aber ggf eine auf § 2 UKlaG oder § 8 UWG gestützte Verbandsklage in Betracht. Verträge, die vor dem Inkrafttreten des AGBG (1.4.77) geschlossen wurden, unterliegen nicht der Kontrolle durch die Verbandsklage (BGH NJW 97, 1068, 1069 [BGH 09.02.1997 - XI ZR 149/96]).
II. Verstoß gegen §§ 307–309 BGB.
1. Keine Beschränkung auf den Verbraucherschutz.
Rn 4
Kontrolliert werden kann die Wirksamkeit der inkriminierten Klauseln gem §§ 307–309 BGB. Somit ist auch bei Verträgen zwischen Unternehmern (§§ 310 I, 307 BGB) grds die Verbandsklagebefugnis eröffnet (zB BGH NJW-RR 07, 1286 [BGH 18.04.2007 - VIII ZR 117/06]; LG Köln WRP 18, 1394 [LG Köln 11.07.2018 - 26 O 128/17]), jedoch nicht durch alle Verbände (§ 3 II).
2. Einbeziehung von AGB.
Rn 5
Ausweislich des Gesetzestextes soll nur der Inhalt von AGB-Klauseln kontrolliert werden können, nicht dagegen ihre gesetzeskonforme (§§ 305–305c BGB) Einbeziehung in den Vertrag. Versucht der Verwender jedoch, mittels AGB die Einbeziehung von AGB abw von den gesetzlichen Bestimmungen zu regeln, so ist diesbzgl die Verbandsklage gem § 1 eröffnet (BGH NJW 10, 864, 867 [BGH 11.11.2009 - VIII ZR 12/08]). Die Einbeziehung neuer Klauseln im Wege der Bedingungsanpassung eines Krankenversicherers gem § 178g III VVG unterliegt jedenfalls der Kontrolle durch die Verbandsklage (BGH NJW 08, 1160 [BGH 12.12.2007 - IV ZR 130/06]). Der Schutzzweck des § 1 spricht dafür, auch die Verwendung typischerweise überraschender Klauseln (§ 305c I BGB) der Kontrolle durch die Verbandsklage zu unterwerfen: Auch das Berufen auf Klauseln, die im Regelfall überraschend und daher nicht in den Vertrag einbezogen sind, stört den Rechtsverkehr und kann den Rechtsunkundigen verwirren (Ulmer/Brandner/Hensen/Witt Rz 16; Wolf/Lindacher/Pfeiffer/Lindacher Rz 21; aA BGH NJW-RR 87, 45, 46 [BGH 25.06.1986 - IVa ZR 263/84]: Die für das Verbandsklageverfahren nötige Typisierung sei insoweit unmöglich). In der Praxis mag man sich damit behelfen, dass typischerweise überraschende Klauseln auch bei unterstellter Einbeziehung in den Vertrag gegen § 307 verstoßen können (vgl BGH NJW 84, 2468 [BGH 28.06.1984 - VII ZR 276/83]; Erman/Roloff Rz 8).
3. Kontrolle des Umgehungsverbots.
Rn 6
Über den Wortlaut des § 1 hinaus hat die Rechtsprechung auch bei einem Verstoß gegen das Umgehungsverbot des § 306a BGB diesbzgl die Verbandsklage gem § 1 zugelassen (BGHZ 162, 294, 301 für den Fall einer bankinternen Anweisung zur Umgehung der AGB-Kontrolle; ebenso für einseitiges Bankschreiben LG Leipzig, VuR 14, 232 [LG Dortmund 20.09.2013 - 3 O 139/13]; ebenso bei Pauschalierung von Ersatzansprüchen ohne vertragliche Grundlage Ddorf NJW-RR 14, 729, 730 [OLG Celle 13.03.2014 - 13 U 106/13]; krit Pfeiffer LMK 05, 149701).
4. Sonstiges zwingendes Recht.
Rn 7
Auch ein Verstoß von AGB gegen sonstiges zwingendes Recht kann mit der Verbandsklage des § 1 gerügt werden (Ulmer/Brandner/Hensen/Witt Rz 10; BGH NJW 83, 1320, 1322 [BGH 26.01.1983 - VIII ZR 342/81]). Aus Sicht des Rechtsunkundigen ist es schließlich irrelevant, ob sich die Unwirksamkeit einer Klausel aus §§ 307 ff BGB oder aus sonstigen Vorschriften ergibt. Im Übrigen wird § 307 BGB auch so interpretiert, dass sich die ›unangemessene Benachteiligung‹ durch eine Klausel auch aus einem Verstoß gegen sonstiges zwingendes Recht ergeben kann (BGHZ 129, 186). Dies gilt zB für einen Verstoß der AGB gegen das Datenschutzrecht (BGH NJW 08, 3055; LG München 11.10.18 – 12 O 19277/17), gegen das Kartellrecht (BGH GRUR 05, 62 [BGH 13.07.2004 - KZR 10/03]), gegen das ZKG (LG Frankfurt/M BKR 18, 391, 394 [LG Frankfurt am Main 08.05.2018 - 2-28 O 98/17]) und gegen das AGG (Schleswig 20.11.15 – 1 U 64/15).
III. Fälle mit Auslandsberührung.
Rn 8
Die Kontrollbefugnis gem § 1 bezieht sich nach Ansicht der Rspr nur auf Fälle, in denen bei typisierender Betrachtung deutsches Sachrecht als Vertragsstatut gilt (BGH NJW 09, 3371, 3373 [BGH 09.07.2009 - Xa ZR 19/08]; vgl aber die Prüfung von Klauseln anhand international vereinheitlichten Sachrechts in BGH NJW 07, 997, 998 [BGH 05.12.2006 - X ZR 165/03]). Bei Verwendung der betreffenden AGB innerhalb der EU kommt aber unabhängig vom Vertragsstatut eine Klagebefugnis gem § 4a in Betracht (s § 4a Rn 3 f).