1. Begriff.
Rn 5
Die Legaldefinition in Abs 1 S 1 wird dahingehend erläutert, dass bei dem in Rede stehenden Gesetz der Verbraucherschutz der ›eigentliche Zweck‹ sein soll und nicht nur untergeordnete Bedeutung haben oder ›zufällige Nebenwirkung‹ sein dürfe (BTDrs 14/2658, 53). Der Begriff des Verbraucherschutzgesetzes ist im materiellen Sinne zu verstehen (›Vorschriften‹), dh auch Rechtsverordnungen können darunter fallen (Köhler/Bornkamm/Köhler Rz 2).
2. Regelbeispiele des Abs 2.
Rn 6
Die Aufzählung in Nr 1 umfasst auch die Regelung zu Zahlungsmitteln gem § 312a IV BGB (BGH VuR 21, 470 [BGH 24.08.2021 - X ZR 23/20]) und die Informationspflichten in Art 246 ff EGBGB (LG Oldenburg 13.3.15 – 12 O 2150/14; Grüneberg/Grüneberg Rz 4) einschließlich Art 247a EGBGB (BGH NJW-RR 21, 1056 [BGH 29.06.2021 - XI ZR 19/20]), die Pflichten im elektronischen Geschäftsverkehr mit Verbrauchern, wie § 312j BGB (LG München I VuR 18, 230 [LG München I 01.03.2018 - 12 O 730/17]), § 312k BGB (Kündigungsbutton, LG Köln VuR 23, 114 [LG Köln 29.07.2022 - 33 O 355/22]) sowie die allgemeinen Regeln zur Rückabwicklung von Schuldverhältnissen im Verhältnis zu Verbrauchern (Karlsruhe NJW-RR 08, 1016, 1018 [OLG Karlsruhe 05.09.2007 - 15 U 226/06]). Zu Nr 3 gehören insb die Informationspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr gem §§ 5 f TMG (ehemals TDG, vgl BGH GRUR 07, 723 [BGH 26.04.2007 - I ZR 190/04]; Kobl MMR 15, 732; aA Staud/Schlosser Rz 17). Das FernUSG (Nr 2) enthält auch Vorschriften zum Vertragsinhalt, insoweit mag § 1 UKlaG vorrangig sein. Das Arzneimittelrecht (Nr 6) enthält Vorschriften zum Schutz der Gesundheit der Verbraucher (vgl Beyerlein PharmR 06, 18). Nr 7 und 8 betreffen das Kapitalanlagerecht, da auch der private Kapitalanleger Verbraucher ist (BGHZ 149, 80, 86); im WpHG sind daher insb die Vorschriften über die Vermeidung von Interessenkonflikten (zB §§ 31, 31d) einschlägig. Das in Nr 9 erwähnte RDG schützt den Verbraucher ua vor ohne ausreichende Qualifikation erbrachten Rechtsdienstleistungen (Grüneberg/Grüneberg Rz 7). Die in Nr 10 bezeichneten Vorschriften des EEG befassen sich mit der Abnahme und Vermarktung von Strom aus erneuerbaren Energien; das WBVG (Nr 11) schützt den Verbraucher bei Verträgen bzgl Alten- oder Behindertenwohnanlagen (Rosenow VuR 21, 372), auch hinsichtlich Verpflichtungen Dritter (BGH MDR 15, 753 [BGH 21.05.2015 - III ZR 263/14]).
Rn 7
Nr 13 und 14 stellen als Umsetzung der EU-RL 2020/1828 klar, dass auch das Datenschutzrecht zu den Verbraucherschutzgesetzen gehört, soweit sich Verbraucher und Unternehmer gegenüberstehen. Daher können auch Verstöße gegen DSGVO, BDSG oder TTDSG (LG München I MMR 23, 222 [OLG Frankfurt am Main 30.06.2022 - 16 U 229/20]) einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch gem § 2 begründen. Soweit es um AGB geht, die gegen das Datenschutzrecht verstoßen, ist nicht § 2 II Nr 11, sondern § 1 UKlaG einschlägig (zB LG München 11.10.18 – 12 O 19277/17; LG Berlin MMR 18, 328).
Rn 8
Nr 12 bezieht sich auf bestimmte Informationspflichten gem VSBG (dazu BGH VuR 20, 27). Allerdings enthält die bloße Bereitschaft eines Unternehmens zur Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren gem § 36 I Nr 1 VSBG noch keine Verpflichtung iSd § 36 I Nr 2 VSBG (Celle VuR 18, 434 m krit Anm Greger).
Rn 9
Unter Nr 15 fallen zB die Diskriminierungsverbote beim Basiskonto gem §§ 38u 40 ZKG (vgl LG Leipzig VuR 18, 345 m Anm Kohte).
Rn 9a
Zu Nr 16 gehören insb die Regeln zum Kundenschutz in §§ 51 ff TKG. Damit hat der Gesetzgeber die früher bestehende Verbandsklagebefugnis des § 44 II TKG aF nun in das UKlaG integriert.
Rn 9b
Die weitere Auflistung einzelner Gesetze in Abs 2 dient der Umsetzung der EU-RL 2020/1828. Sie hat nur den Charakter von Regelbeispielen. Allein aus der Tatsache, dass eine bestimmte Norm hier nicht genannt ist, kann nicht gefolgert werden, dass sie kein Verbraucherschutzgesetz iSd Abs 1 wäre; vielmehr kommt es auf die Legaldefinition in Abs 1 S 1 an.
3. Weitere Verbraucherschutzgesetze.
Rn 10
Die Aufzählung des Abs 2 ist also nicht abschließend. Die Vorschrift beschränkt sich auch nicht auf den Schutz der rein ökonomischen Interessen des Verbrauchers, wie zB der in Nr 5 avisierte Gesundheitsschutz und der in Nr 3 angesprochene Jugendschutz belegen.
Rn 11
Verbraucherschutzgesetze iSd Abs 1 sind außerdem §§ 241a, 661a BGB (aA Köhler/Bornkamm/Köhler Rz 10) sowie § 676h BGB, der zivilrechtliche Diskriminierungsschutz gem §§ 19 f AGG (Welti ZRP 15, 184, 186; Köhler/Bornkamm/Köhler Rz 2, in der Tendenz auch Schleswig VuR 16, 190 [OLG Schleswig 11.12.2015 - 1 U 64/15]; aA Hamm MDR 17, 693 [OLG Hamm 03.03.2017 - 12 U 104/16]; vgl rechtspolitisch Ponti/Tuchtfeld ZRP 18, 139) sowie die Regeln zum P-Konto in § 850k VII ZPO (LG Köln VuR 2011, 392 [LG Köln 04.08.2011 - 31 O 88/11]) und das AltZertG (Dresd VuR 21, 399). Auch das Kartellrecht ist Verbraucherschutzgesetz (aA Niebling MDR 12, 1071, 1076), weil der freie Wettbewerb kein Selbstzweck ist, sondern im Interesse optimaler und preisgünstiger Güterversorgung besteht. Die Vorschriften der §§ 33, 34a GWB haben insoweit...