1. Trennung zwischen prozessrechtlichen und materiell-rechtlichen Fragen.
Rn 10
In Fällen mit Auslandsberührung ist zwischen dem Bestehen der Verbandsklagebefugnis (dazu ausf mit Blick auf das UWG Sack WRP 17, 1298) einerseits und den anzuwendenden materiell-rechtlichen Maßstäben bei der objektiven Rechtskontrolle andererseits zu unterscheiden. Nur für letztere gilt das gem Kollisionsrecht zu ermittelnde anwendbare Sachrecht (lex causae). Die Frage nach dem Bestehen der Verbandsklagebefugnis ist dagegen Teil des Prozessrechts und unterliegt damit dem Recht des Forumstaats (Lindacher 78). Ein Teil der Literatur negiert jedoch diese Unterscheidung oder will für beide Fragen die nach dem Kollisionsrecht berufene lex causae anwenden (Pfeiffer 726 ff; AnwK-BGB/Wagner Art 40 EGBGB Rz 71). Dies würde zur Folge habe, dass etwa eine nach australischem Recht zulässige Popularklage bei entsprechender lex causae (zB wegen einer Wettbewerbshandlung in Australien) auch in Deutschland von jedermann erhoben werden könnte. Dagegen spricht aber, dass jeder Staat nach seinen eigenen prozessrechtlichen Maßstäben bestimmen sollte, inwieweit er sich für eine objektive Rechtskontrolle durch Popular- oder Verbandskläger öffnet (Schack Rz 675). Die Rechtsprechung musste diese Frage bisher nicht entscheiden, weil etwa im Fall BGH NJW 09, 3371 [BGH 09.07.2009 - Xa ZR 19/08] die Klagebefugnis schon nach deutschem Recht bestand.
Rn 11
Darüber hinaus wird die Ansicht vertreten, dass eine Verbandsklagebefugnis nur dann bestehe, wenn neben der lex fori auch die lex causae (zB das Recht des betroffenen Auslandsmarkts) eine solche Befugnis begründet (Lindacher 79 mwN). Dem ist zumindest in dieser Allgemeinheit mangels gesetzlicher Grundlage nicht zu folgen; es kommt vielmehr auf den ggf durch Auslegung zu ermittelnden Anwendungsbereich der jeweiligen Verbandsklagebefugnis an.
2. Ermittlung der materiell-rechtlichen lex causae.
Rn 12
Anders als bei der Klagebefugnis des Verbandsklägers ist es aber unstrittig, dass die bei der objektiv-rechtlichen Kontrolle anzuwendenden materiell-rechtlichen Maßstäbe unter Rückgriff auf das Kollisionsrecht zu ermitteln sind. Die im UKlaG geregelten Verbandsklagen betreffen insoweit nicht konkrete Verträge, sondern ein möglicherweise objektiv rechtswidriges Verhalten und sind daher kollisionsrechtlich den unerlaubten Handlungen zuzuordnen. Das anwendbare Recht ergibt sich somit aus der Rom II-VO, und zwar entweder aus Art 4 I iVm Art 2 Rom II-VO (BGH NJW 09, 3371, 3372) oder, soweit Wettbewerbshandlungen in Rede stehen, aus Art 6 I Rom II-VO (EuGH EuZW 16, 754; Baetge ZEuP 11, 930, 938 [BGH 09.07.2009 - Xa ZR 19/08]). Wegen Art 3 Rom II-VO gilt dies auch bei Sachverhalten mit Bezug zu Nicht-EU-Staaten (entgegen LG Berlin 28.6.11 – 16 O 249/10). Es wird somit das Recht desjenigen Staates angewandt, in dem die von der fraglichen Rechtsverletzung betroffenen Verbraucher- oder wettbewerblichen Interessen verletzt werden (BGH aaO).
3. Bedeutung des Vertragsstatuts.
Rn 13
Davon zu trennen ist aber die Frage, ob ein ggf davon abweichendes Vertragsstatut auch in einem Verbandsklageprozess relevant ist, wenn dieser sich auf einen Verstoß gegen (zwingendes) Vertragsrecht bezieht, wie etwa bei Klagen gem § 1 oder ggf §§ 2 und 4a UKlaG. Die deutsche Rechtsprechung nimmt hier eine gesonderte Beurteilung vor und hält daher die Verbandsklage für nicht begründet, wenn das inkriminierte Verhalten nach dem konkreten Vertragsstatut rechtmäßig ist (BGH NJW 09, 3371, 3373 [BGH 09.07.2009 - Xa ZR 19/08]; zust Stadler VuR 10, 83; Köln VuR 16, 229 [OLG Köln 26.02.2016 - 6 U 90/15]; Frankf 13.12.18 – 16 U 15/18). Auch der EuGH trennt zwischen dem auf die Verbandsklagebefugnis als solche anwendbarem Recht, das nach der Rom II-VO zu ermitteln ist, und dem für die Rechtmäßigkeit einer AGB-Klausel anzuwendenden Recht, dh dem nach der Rom I-VO zu ermittelnden Vertragsstatut (EuGH EuZW 16, 754; dazu Rott EuZW 16, 733). Dem ist jedenfalls für die Fälle zuzustimmen, in denen das Vertragsstatut für typische Fälle mit ausreichender Sicherheit auch im Verbandsklageprozess ermittelt werden kann. Es gibt nämlich kein die Verbandsklage rechtfertigendes Schutzbedürfnis, wenn das inkriminierte Verhalten im typischen Fall rechtskonform ist.