Gesetzestext
Die sachliche Zuständigkeit der Gerichte wird durch das Gesetz über die Gerichtsverfassung bestimmt.
Rn 1
Die Regelung ist im Zusammenhang mit § 3 EGZPO und § 2 EGGVG zu lesen. Ihr Zweck ist die Bestimmung des gesetzlichen Richters in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten vor den ordentlichen Gerichten, mithin die Konkretisierung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 101 I 2 GG (BVerfGE 85, 327 [BVerfG 09.04.1992 - 2 BvE 2/89]). Zuständigkeit ist die Befugnis des Gerichts, seine Gerichtsbarkeit auszuüben (Zö/Schultzky § 1 Rz 1). Bei der Klärung der innerstaatlichen Zuständigkeit ist zunächst der Rechtsweg zu bestimmen. Hierfür sind §§ 13, 17 ff GVG einschlägig, in Abgrenzung zu § 40 VwGO und §§ 1–3 ArbGG iVm § 48 ArbGG. Innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit bestimmt sich die sachliche, dh die entsprechend der Art des Streitgegenstandes festgelegte Zuständigkeit des AG nach §§ 23 ff GVG und des LG nach § 71 GVG; für einen Teilbereich ist die Abgrenzung gem § 23 Nr 1 GVG wertabhängig, so dass nach § 2 die §§ 3–9 mit heranzuziehen sind. Eine abschließende Regelung enthalten die aufgeführten Normen nicht. In der ZPO (vgl insb §§ 64, 486 III, 689 I 1, 731, 764, 767, 768, 919, 942) und in weiteren Gesetzen (betr OLG UKlaG § 6 I 1; betr LG AktG §§ 246 III 1, 396 I 2; BauGB § 217 I 4; BNotO § 19 III, § 42, § 62; GebrMG § 27 I; GmbHG § 61 III; GenG § 51 III 3; GWB § 87; HinterlO § 3 III 2; MarkenG § 140 I; PatG § 143 I; StrEG § 13 I 3; betr AG InsO § 2 I) finden sich zusätzliche Bestimmungen zur sachlichen Zuständigkeit.
Rn 2
Als funktionelle Zuständigkeit bezeichnet man die in der ZPO nicht ausdr geregelte Verteilung verschiedener Rechtspflegefunktionen auf Richter, Rechtspfleger, Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und Gerichtsvollzieher, auf verschiedene Aufgabengebiete desselben Gerichts wie dasjenige des Prozess-, Kartell-, Vollstreckungs-, Insolvenz-, Mahn-, Aufgebots- oder Rechtshilfegerichts sowie auf Kollegium, Vorsitzenden, Einzelrichter und beauftragten Richter (MüKoZPO/Wöstmann § 1 Rz 9; Zö/Schultzky § 1 Rz 6). Der BGH (NJW-RR 04, 1655 [BGH 15.06.2004 - VI ZB 75/03]) sieht auch in der instanziellen Zuständigkeit einen Teilbereich der funktionellen Zuständigkeit. Der Streit hierum (St/J/Roth § 1 Rz 58; MüKoZPO/Wöstmann § 1 Rz 11) ist ohne praktische Relevanz. Der Geschäftsverteilungsplan regelt die Zuständigkeit gleichgeordneter Funktionsträger innerhalb eines Gerichts (für KfH: BGH NJW 86, 1178). Bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen Spruchkörpern desselben Gerichts kann der zuständige Spruchkörper in analoger Anwendung von § 36 Abs 1 Nr 6 zu bestimmen sein (BGH NJW 22, 2936 [BGH 26.07.2022 - X ARZ 3/22]). Die örtliche Zuständigkeit ist in §§ 12 ff geregelt, die auch eine Grundlage für die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit darstellen (BGH NJW-RR 08, 57, 58 f [BGH 28.06.2007 - I ZR 49/04]; § 12 Rn 19). Eine ungeschriebene sachliche Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs besteht nicht. Spezielle Regelungen, die dem Gericht über die Rechtsweg- (§ 17 II 1 GVG) oder die örtliche (§ 32) Zuständigkeit hinaus Prüfkompetenzen zuweisen, können, namentlich im Wege der Analogie, als Grundlage nicht herangezogen werden (BGH NJW 87, 442; insb mit Blick auf BGH NJW 03, 828 [BGH 10.12.2002 - X ARZ 208/02] str, vgl MüKoZPO/Wöstmann § 1 Rz 16; St/J/Roth § 1 Rz 6 ff; Musielak/Voit/Heinrich § 1 Rz 13 f). Das sich hieraus ergebende, für die Praxis selten relevante Problem einer gespaltenen Zuständigkeit ist vorbehaltlich anderweitiger Entscheidung des Gesetzgebers hinzunehmen, da andernfalls die nicht voraussehbare, von Gegebenheiten des Einzelfalls abhängige Herleitung der Zuständigkeit an die Stelle klarer gesetzlicher Regelung träte. Für die Fälle der Klagenhäufung ist zunächst auf § 5 zu verweisen. Im Übrigen ist die sachliche Zuständigkeit für jeden Anspruch und für jede von mehreren Parteien grds getrennt zu prüfen, wenn nicht eine Sonderregelung wie § 33 eingreift.
Rn 3
Das Gericht prüft die sachliche Zuständigkeit vAw in den Fällen der §§ 40 und 504; greift § 39 ein, erübrigt sich die Prüfung. Eine Amtsermittlung findet nicht statt. Tatsächliche Grundlage ist der Vortrag des Klägers, der im Bestreitensfalle von ihm zu beweisen ist; bei doppeltrelevanten Tatsachen, die sowohl die sachliche Zuständigkeit als auch die Begründetheit des Klageanspruchs betreffen (qualifizierte Prozessvoraussetzung), reicht der schlüssige Vortrag (BGH NJW 14, 2864 [BGH 09.07.2014 - VIII ZR 376/13]; 10, 873 [BGH 27.10.2009 - VIII ZB 42/08]; KG NJW-RR 01, 1509 [KG Berlin 30.01.2001 - 5 W 8942/00]; OLGR Dresden 05, 50; Kobl NJW-RR 10, 1004 [OLG Koblenz 01.03.2010 - 2 U 816/09]). Zum Hilfsantrag vgl § 5 Rn 14. Wertangaben der Parteien sind nicht bindend; insb wo das Eigeninteresse der Prozessbevollmächtigten aufgrund von Gebührenvereinbarungen zurücktritt, sind sie krit zu hinterfragen (Ddorf NJW 11, 2979; näher § 3). Die Voraussetzungen der sachlichen Zuständigkeit müssen spätestens in der mündlichen Verhandlung...